1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Schweigen das Verderben zu verhüllen schien. Von Zeit zu Zeit ließ er halten und lauschte, ob sich nicht irgendein Geräusch vernehmen lasse; aber alles blieb still, wie in der Wohnung des Todes. Plötzlich flatterte eine Rabenschar mit heiserm Gekreische vom Walde her auf und zog über den Weg dahin. »Diese Vögel sind aufgescheucht,« sprach Rasinski zu seinen Leuten gewandt, »wir dürfen nicht daran zweifeln, daß im Walde Leute verborgen sind.« – »Sieh, sieh, Oberst!« rief der gewandte Bliski hastig, indem er sich bückte und gewissermaßen den Bäumen unter die Zweige zu gucken suchte; »wahrhaftig, hier marschieren Leute.«
In der Tat war man eben an ein Gestelle, welches einen weiten Blick in das Innere des Waldes gewährte, gekommen, und als Rasinski sich bis unter den Sattel herabbeugte, sah er eine schwarze Kolonne, die mutmaßlich auf einem breiten Wege innerhalb des Waldes marschierte, quer über das Gestelle defilieren. Er sprang schnell vom Pferde, und ließ seine Begleiter vorausreiten, damit diese nicht aus der Waldöffnung bemerkt werden sollten. Er selbst, auf den Schnee geworfen, beobachtete die Kolonne. Der Marsch derselben dauerte eine ganze Zeit fort; es war Infanterie. Da er jedoch die Tiefe nicht übersehen konnte, war es unmöglich, ihre Stärke zu schätzen. Jetzt aber kam auch Artillerie, und Rasinski konnte deutlich die Geschütze zählen. Da er bis dreißig gekommen war, wußte er genugsam, daß jenes Korps den Streitkräften des Marschalls bei weitem überlegen sein mußte. Er schwang sich wieder aufs Pferd und eilte nun, dem Marschall die Nachricht zu bringen.
Jaromir war schon wieder bei dem Korps eingetroffen, ohne eine Spur des Feindes bemerkt zu haben. Die Leute hatten indessen, da ein Tannengebüsch ganz in der Nähe war, Holz geschlagen und Feuer angezündet, und der Marschall gebot ihnen, sich zu wärmen und zu erquicken, so gut es der Augenblick erlaubte, damit sie einem Angriff des Feindes mit Erfolg zu widerstehen vermöchten.
Als Rasinski jetzt seinen Bericht abstattete, wurde die verzweifelte Lage, in der sich das Korps befand, augenscheinlich. »Unfehlbar,« sprach der Marschall, »halten die Russen die Wälder auf der Höhe von Katowa besetzt und erwarten nur, daß wir uns oben zeigen sollen, um uns von allen Seiten anzugreifen, und uns dann durch Besetzung dieser Schlucht hier vor uns jeden Ausweg abzuschneiden. Doch ich hoffe, wir machen uns Bahn mitten durch sie hindurch. Nur müssen wir den Kampf noch einige Stunden zu verzögern suchen, damit die Nacht uns zu Hilfe kommen kann. Was ist die Uhr?« – »Halb zwei«, entgegnete Rasinski. – »Gut; um vier Uhr ist es völlig dunkel. Dann wollen wir aufbrechen. So lange können wir noch Kräfte sammeln.«
Rasinski ritt zu den Seinigen zurück. Jaromir hatte bereits die Pferde füttern lassen, denn glücklicherweise besaß man noch etwas Vorrat von Hafer und Heu, und auch die Leute waren schon daran, sich ihre spärliche Mahlzeit zu bereiten. So verging eine Stunde in banger Erwartung.
Viertes Kapitel.
»Rasinski,« rief Jaromir diesen unvermutet an; »siehst du dort auf der Höhe?« – »Kosaken! Wahrhaftig! Aber meinen Kopf zum Pfande, sie sind nicht allein!« antwortete Rasinski.
Auf der Anhöhe zeigten sich drei Reiter, die indessen nur, um zu kundschaften, vorgeschoben zu sein schienen. Sie wurden bald von allen bemerkt, und die Reihen gerieten in jene unruhige Bewegung, man hörte jenes dumpfe Murmeln durch die Glieder laufen, wodurch sich die Erwartung eines wichtigen Ereignisses anzukündigen pflegt. »Wirf dich aufs Pferd, Jaromir,« befahl Rasinski, »und sprenge dort bis an die Waldecke hinauf, so kannst du die Gegend weit übersehen.«
Jaromir, der das beste Pferd von allen besaß, flog wie ein Pfeil über die Schneefläche, um den Auftrag zu vollführen. Fast noch schneller aber kehrte er zurück und meldete, daß die ganze Höhe mit Kosaken besetzt sei, und auch Infanteriekolonnen aus der Tiefe des Waldes debouchierten. Eben ritt auch Regnard vorüber, der auf Befehl des Marschalls gleichfalls eine Rekognoszierung angestellt hatte. »Es kommt zum Spruch, Rasinski,« rief er im Vorüberreiten; »der Tanz fängt gerade so an wie vorgestern. Der Wald wimmelt von Russen wie ein Ameisenhaufen.«
Die Trommel tönte. Die Truppen traten ins Gewehr. Die ungeordneten Massen der Traineurs, der Kranken, der Waffenlosen rotteten sich auf einen dichten Haufen zusammen. »Für uns kann die Schlacht eine
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