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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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stäubte Eis und Schnee empor und wühlte sich in den Boden. »Werft euch nieder, alle nieder«, rief Regnard; doch in dem Augenblick zerborst das Ungetüm schon in eine Wolke von Rauch und Glut und schmetterte die Stücken ringsumher. Ein Schreckensruf erscholl von allen Seiten, die Lüfte selbst schienen prasselnd zu krachen. Bernhard fühlte sich unversehrt, die Schwester in seinem Arm war es ebenfalls; doch eine dichte Rauchmasse wälzte sich so um sein Haupt, daß er keinen der Freunde entdecken könnte. »Ludwig!« rief er; »Ludwig, lebst du?« Doch das Krachen der Geschütze, das Angstgeschrei ringsumher und das Geheul des Nordsturms, der sich mit erneuter Gewalt erhoben hatte, übertäubten seine Stimme. Endlich zog der Rauch wie der langsam sich wälzende Acheron hinweg, und man konnte um sich blicken.
    »Du lebst!« ertönte Ludwigs Stimme, und er lag zu Biankas Füßen und drückte die Geliebte mit süßem Dankgefühl für ihre Rettung an seine Brust. Doch plötzlich riß er sich los und rief, indem er aufsprang: »Heiliger Gott, auch das noch!« Sein Blick traf auf Willhofen, der schauderhaft zerrissen und zerschmettert zwischen den Pferden am Boden lag. Nur das Angesicht war unverletzt; sein erlöschendes Auge suchte verlangend nach einer Hand, die es zudrückte. Ludwig eilte auf ihn zu und erhob ihm stützend das Haupt. Bernhard hatte die Rechte des Gefallenen ergriffen und kniete neben ihm. »Lebst du noch, Getreuer? Kannst du uns noch ein Lebewohl sagen?« fragte Ludwig mit vor Schmerz erstickter Stimme. Doch der Sterbende vermochte keinen Laut mehr hervorzubringen; er bewegte nur mühsam die Lippen und seine ermattete Hand versuchte einen leisen Druck. Ein schmerzliches Lächeln schwebte über sein Angesicht, dann sank sein Haupt zurück und das Auge brach.
    »So hast du doch die Heimat nicht wiedergesehen,« rief Ludwig, »du treuestes Herz! Nun ist die Qual vorbei, – du bist der Glückliche!« Sie wollten den Leichnam emporheben, doch eine donnernde Lage aus den russischen Batterien schleuderte eben wieder eine Masse Kugeln und Granaten dicht um sie in das Gedränge. Ein Wehegeheul erhob sich, alles stürzte übereinander hin, die Wogen des Gedränges packten nun auch diesen Zufluchtsort.
    »Laßt uns zusammenhalten,« rief Regnard, »sonst sind wir für ewig getrennt.« Indem wollte er Ludwigs Hand ergreifen; doch zwischen beide sauste eine Kugel hindurch und warf den Obersten zu Boden. »Regnard!« rief Ludwig außer sich, indem er ihm zu Hilfe sprang; »seid ihr tödlich getroffen?«
    Bernhard richtete den Gefallenen an den Schultern empor und beugte sich über ihn. »Ich habe mein Maß,« sprach er matt; »wo ist mein Töchterchen?« Bianka kam, wiewohl bebend, doch entschlossenen Schritts, das Kind auf dem Arme, heran; sie kniete vor dem Vater nieder.und hielt es ihm dar. »Hier, hier«, – sprach sie mühsam, aber mit Fassung. Regnard blickte die Kleine wehmütig an, dann küßte er sie und sprach gerührt: »Leb wohl! Du hast keinen Vater mehr – aber eine Mutter – nicht wahr? – Grüßt Rasinski – wenn noch einer zum Grüßen bleibt. Es lebe der Kaiser!«
    Diesen Ausruf tat er mit letzter, zusammengeraffter Kraft in rauhem Soldatenton; dann brach er zusammen – und war nicht mehr. »Es ist ein Schnitter, der heißt der Tod«, summte Bernhard, um den wilden Schmerz zu bekämpfen, nach einem alten Liede; aber die Töne starben ihm auf der Lippe. »Hat Gewalt vom höchsten Gott!« sprach er dennoch, sich selbst bezwingend, weiter. »Gottes Wille! Ich bin gefaßt!«
    Doch es blieb ihnen nicht Zeit, sich ihrem Schmerz zu überlassen, denn ein fürchterliches Toben und Rasseln in ihrer Nähe, ein Gemisch von Kreischen und Brüllen, ein alles fortreißendes Drängen und Wogen der Flüchtenden trieb sich heran. »Weicht dieser Woge aus, sie verschlingt uns!« rief Bernhard. »Zurück! Dort die Höhe hinan, dort wird Luft.«
    Ludwig faßte Bianka, Bernhard riß die betäubte Jeannette mit sich fort. Alles im Stich lassend, suchten sie nur der Gefahr des Augenblicks zu entgehen. Es gelang ihnen noch glücklich, eine freiere Stelle seitwärts zu gewinnen, wohin das Gedränge sich nicht wälzte, weil von dort aus freilich auch die Brücke nicht mehr zu erreichen war, und niemand anders als über diese die Rettung suchte. »Hier ist Luft,« rief Bernhard, als er atemlos dahin gekommen war; »der Strom geht dort hinaus. Hier kann uns nichts Schlimmeres mehr begegnen, als von den feindlichen

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