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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Jugend auf der Gram und die nagende Erbitterung um das in Schmach und Unheil gestürzte Vaterland; seit dem Jünglingsalter in die wilden Strudel der Weltgeschicke geschleudert; fortgetrieben auf dem Strome des Lebens an den grünen Ufern vorbei, ohne Frist zum Landen und Verweilen, kaum durch den fernen Gruß einer holden, winkenden Gestalt erquickt; jedes freundliche Bild des lächelnden Glücks rasch durch rauhe Stürme verweht – was hatte diese Brust geduldet und getragen! »Hm, hm,« murmelte er vor sich hin, »was willst du denn? Hat nicht die glänzende Sonne der Ehre deinem Leben von Jugend auf gestrahlt? – Ach, sie ist keine Sonne, nur ein Stern, der auf dunkelm Nachthimmel glänzt, aber diese trauliche Wohnstätte der Erde nicht erleuchtet, nicht erwärmt! Durch! Vorwärts! Empor die Stirn! Hast du Schicksal meine Brust mit deinem ehernen Harnisch umgeben, daß sie nie berührt werden konnte von der weichen Umarmung der Liebe und des Friedens, so sei sie wenigstens gewaffnet für den Kampf, und der scharfe Pfeil pralle ebenso machtlos zurück. Ich fordere dich heraus, häufe deine Schrecken, deine Qualen! Die Stunde wird kommen, wo du mir obsiegst, aber niemals die, wo ich mein Haupt verzagend vor deinem drohenden Arm verberge.«
    Er richtete sich auf; selbst als der Mut der Stärksten brach, erwachte in ihm das stolze Bewußtsem edler Kraft, und er zeigte dem Schicksal ein trotzendes Antlitz. Schweigend, aufmerksam, wachsam saß er vor der Flamme; den Schlaf scheuchte sein mächtiger Wille, denn er hütete das teuere Leben der Freunde.

Neuntes Kapitel.
    Die Stunde war vorüber, da rüttelte er Jaromir auf. »Nun ist's an dir zu wachen; vermagst du's aber auch? Du scheinst krank, denn du lagst nur im unruhigen Halbschlaf, während die andern regungslos von seinen bleiernen Banden gefesselt sind.« Das Gefühl für kriegerische Pflichten hatte Jaromir noch nicht verloren; hier gehorchte er pünktlich und wußte sich aus Gewohnheit der Ehre zusammenzuraffen. Darum antwortete er schnell: »Ich bin wach, lege du dich jetzt nieder, kein Schlaf soll auf meine Augen sinken!«
    Rasinski war beruhigt, als er die entschlossene Miene Jaromirs sah, auf den er sich sonst unbedingt verlassen konnte. Er wickelte sich daher fester in den Mantel ein und lehnte sich zurück, um der Ruhe zu genießen. Jaromir nahm einen langen Stab von Fichtenholz und schürte die Flammen. Alles war totenstill umher, kein Fuß rührte sich, kein Laut wurde hörbar. »Es ist doch kalt«, sprach der Einsame vor sich hin und starrte in die Glut. Ein Schauer rüttelte ihn. Im Nacken fühlte er die eisige Hand des Winters, während ihm die Flamme das Angesicht fast versengte. Doch mehr als diese zwiefache Marter peinigten ihn die Nattern in seiner Brust. Noch war die Klarheit seines Geistes nicht entwichen, denn er empfand noch mit ahnungsvollem Grauen, wie sich düstere Wolken des Wahns im wechselnden Vorüberziehen vor die reine Sonne des Bewußtseins wälzten. »Ich weiß nicht,« dachte er, »träume ich mehr im Wachen, oder wache ich mehr im Traume. Ich fühle kaum einen Unterschied zwischen Schlafen und Wachen; es wälzt sich wie ein langsam kreisender Nebel um mich her. Wie ruhig diese alle schlafen.« Seine Blicke weilten auf dem Antlitz der Freunde. »Ja, sie schlafen fest, sie träumen wohl gar süß! Ach! Wer alle Qual so verträumen könnte! Wer nie, nie wieder erwachte!« Es überkam ihn wie ein übermannender Schwindel; er mußte die ganze Gewalt seines Willens, den scharfen Stachel seines Ehrgefühls zu Hilfe nehmen, um nicht betäubt zurückzusinken.
    Plötzlich hörte er ganz in der Nähe, aber aus dem unbestimmten Räume des Dunkels, laut auflachen. Als schlüge ein kalter Blitz des Entsetzens in seine Brust, so zuckte er bei diesem Tone zusammen, der in der grausen Umgebung wie die frechste Gotteslästerung klang. »Wer da?« wollte er laut anrufen, aber die Summe erstarb ihm auf der Lippe und sein Auge suchte unstet starrend in der Finsternis den bösen Geist des Abgrundes, der hier lauern mußte. Da trat aus dem Schattenkreis der Nacht eine grausenhafte Gestalt in den Glanz des Feuers. Es war ein riesengroßer Kürassier, in einen zerlumpten Mantel gehüllt, das Haupt unter dem Helm mit einem blutigen Tuche umwunden; er trug einen jungen Fichtenbaum als langen Wanderstab in der Hand. »Guten Abend,« sprach er mit hohler Stimme herüber zu Jaromir, »guten Abend, Kamerad! Hier geht's lustig zu!« – »Was willst du?«

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