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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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lauten Schrei des Entsetzens, Ludwig fing die Sinkende in seinem rechten Arme auf und wehrte einen wild Andringenden mit der Linken ab. Rasinski, der die Größe der Gefahr sogleich übersah, ließ Jaromir in Bernhards Armen und sprang mit funkelndem Auge mitten in den Kreis. Schnell entschlossen riß er einen halbbrennenden Ast aus dem Feuer, schwang ihn hoch über dem Haupte und rief mit seiner Löwenstimme, die selbst in den Donnern der Schlacht mächtig herrschte: »Zurück, Elende! Wer einen Schritt vorwärts wagt, dem zerschmettert dieser glühende Stamm das Haupt!«
    Die Erbitterten hemmten betroffen und staunend ihre Schritte; die geistige Übermacht Rasinskis hielt sie gefesselt. Nur jener bärtige Krieger riß den Säbel heraus und schrie wütend: »Wie, ihr Memmen, fürchtet ihr euch alle vor einem einzigen? Vorwärts! Nieder mit den polnischen Hunden!« – »Raubtier du!« donnerte Rasinski ihm entgegen und sprang wie ein gereizter Löwe auf den Wütenden zu. »Zu Boden mit dir, entmenschtes Ungeheuer!« Zugleich packte er ihn mit kräftiger Gewandtheit im Gelenk der gehobenen Faust, so daß er seine Waffe nicht zu brauchen vermochte, und schlug ihm mit dem brennenden Ast über den Kopf, daß er zersplitterte und Kohlen und Funken rings umherstoben. Doch der Schlag war durch die dichte Bärmütze entkräftet und hatte nur den Zorn des Erbitterten bis zur schäumenden Wut gesteigert. Gebaut wie ein Athlet, an Größe seinen Gegner um die Hälfte des Hauptes überragend, ließ er den Säbel fallen und warf sich ringend über Rasinski her, um ihn in die Flamme zu werfen. Dieser kämpfte nur einen Augenblick mit ihm; da glitt er aus, schwankte, sank in die Knie. Er war verloren! Ein ruchloses Ungeheuer drohte das edelste Heldenleben mit roher Übermacht zu zerstören! Da sprang Ludwig mit Blitzesschnelle ihm zu Hilfe, umschlang den Wütenden von hinten her und riß ihn zurück, so daß er mit ihm zu Boden stürzte. Rasinski raffte den entfallenen Säbel auf, riß dem Niedergestürzten mit der Linken die Bärmütze vom Haupt und führte mit der Rechten einen Hieb auf seine Stirn, die ihm den Schädel mittenentzwei spaltete. Wie ein König, gebietend, stolz, richtete er sich jetzt empor und trat mit Majestät unter die Staunenden und Erschreckten. »Werft den Leichnam in den Schnee,« gebot er, »lagert euch wieder und schlaft. Es kümmere euch nicht mehr, als ob ich einen Wolf erschlagen hätte.«
    Als bedürfe er ihrer nicht, warf er die Waffe verächtlich von sich, nur durch seine erhabenere Seele die Menge beherrschend. Es wagte niemand, sich zu regen; sondern gehorsam packten zwei den blutenden Körper des Gefallenen, trugen ihn einige Schritte weit und warfen ihn auf den Boden. Rasinski ging, denn der Zorn wogte bei ihm noch wie die See nach dem Sturme, einige Augen- blicke auf und nieder, ohne selbst der Freunde zu gewahren. Dann wurde er plötzlich ruhig und milder, reichte dem mit Blut bespritzten Ludwig, der Bianka mit sanften Liebesarmen umfangen hielt, die Hand und sprach: »Du bist mein Retter! Siehst du, das hat der Krieg selbst in dieser grausenden Gestalt noch Schönes vor dem stachen Leben der Alltage voraus, daß er uns jede Stunde Gelegenheit zu größern Diensten der Freundschaft und der Liebe bereitet als ein Menschenalter des schläfrigen Friedens. Du Wackerer! Aber lagert euch wieder, Freunde; es ist nichts als ein Toter mehr unter den Legionen, die um uns erstarrt sind. Ein Krämerhandel gegen den Welthandel des Geschicks!«
    Sein Auge wandte sich wieder auf Jaromir; er schien in Ermattung oder Schlummer gesunken und fest mit dem blonden Lockenhaupt an Bernhards Brust gelehnt. In den stillen, bleichen Zügen lag ein namenloser Schmerz, den kein Lächeln mit einem milden Schleier bedeckte. »Laß uns ihn in unsere Mitte nehmen, Bernhard«, sprach Rasinski. »Was ist hier zu tun, als ihn der Gnade des Himmels anheimzustellen? Vielleicht beruhigt der Schlaf sein krankes Haupt.«
    Er hatte sich wieder gelagert, nahm Jaromir liebend in seine Arme und drückte ihn innig an die Brust. »Hier ruhe aus; die Schauer des Winters sollen dich nicht finden in meinen Armen. Und kannst du, so erwache zu einem mildern Tage!« Damit lehnte er sich zurück, verhüllte das Haupt und ruhte Herz an Herz mit dem kranken Jünglinge. Bald, so mächtig gebot die allbezwingende Natur, sank er wieder in festen Schlaf. Die Krieger ringsum waren schon längst wieder von seinen betäubenden Banden umschlungen; so

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