1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
rief Jaromir entsetzt, »hebe dich hinweg, du Ungetüm!«
Der Kürassier starrte ihn aus hohlen Augen an, verzerrte den Mund zu einem fürchterlichen Grinsen und fletschte wie ein ergrimmtes Tier die Zähne. »Ha, ha, ha!« lachte er gellend auf. »Schlaft ihr so fest, ihr Faulenzer?« Dabei stampfte er mit dem Fuß auf den Leichnam eines Erstarrten, auf dem er stand. »Wacht auf! Kommt mit mir!«
Einen Augenblick stand er wie lauschend; dann taumelte er mit mühsamen Schritten näher und wankte auf das Feuer zu. »Zurück!« rief Jaromir. »Zurück, oder ich schieße dich nieder.« Er zog die Pistole, hielt sie aber in zitternder Hand und vermochte nicht es zu erheben. Der Wahnwitzige starrte ihn mit stumpfer Gleichgültigkeit an; bald zuckte ein wildes Lachen, bald der Ausdruck des tiefsten Elends über seine eingefallenen Züge. Jaromir – das Entsetzen lähmte ihm jede Muskel – hing sprachlos, bleich, mit unverwandten Blicken an der Gestalt. Sie stand groß aufgerichtet, streckte die hagern Arme unter dem Mantel hervor und machte seltsame Bewegungen. »Was willst du, gräßlicher Unhold?« fragte er endlich mit halbversagender Stimme, schon selbst betäubt und irr.
»Hu, mich friert!« heulte der Rasende und schüttelte sich. Dann griff er wie ein spielendes Kind nach der Flamme und wankte ihr näher und näher, bis er dicht am Kreise der Schlafenden stand, über die er beide Arme weit hinausstreckte. Erst jetzt schien er die Wärme der Glut zu empfinden. Ein leises Wimmern entstieg seiner Brust, dann rief er plötzlich, halb lachend, halb jammernd: »Zu Bett! Ins warme Bett!« warf seinen Fichtenstab weit weg, taumelte vorwärts über die Gelagerten hin und stürzte sich in rasender Verblendung mitten in die Glut.
»Hilfe! Hilfe!« schrie Jaromir, dem das Entsetzen das Haar emporsträubte, laut auf und packte Rasinski, mit krampfhafter Gewalt aufrüttelnd, an. Dieser fuhr empor: »Was gibt's?«–»Da! da!« stammelte Jaromir mühsam, und deutete auf die Flammen, in denen sich der Unglückselige, in gräßlichen Verzückungen laut aufheulend, wälzte.
Rasinski ahnte mehr, als er begriff, was vorging; rasch entschlossen sprang er auf, um den Unglücklichen zu retten. Doch es war zu spät. Schon hatte die Glut ihn erstickt; er lag regungslos, die Flamme leckte gierig um seine Glieder, und ein dichter, verpesteter Qualm dampfte in schweren Gewölken empor. Schaudernd trat Rasinski zurück und wandte sein Antlitz ab, um seine Erschütterung zu verbergen; da sah er, daß rings im Kreise alles im totenähnlichen Schlafe lag. Keiner war erwacht von dem schaudervollen Ereignisse, das in der Mitte so vieler Lebenden vorging.
Doch regte sich eine Gestalt, es war Bianka. Das gräßliche Geheul des Verbrennenden hatte im Schlummer ihr Ohr getroffen und ihre Seele mit einem Ungewissen Grausen erfüllt. In der Ahnung, daß etwas Entsetzliches vorgehe, entrang sie sich mühsam den schweren Fesseln des Schlafs und richtete sich angstvoll umherblickend auf. Da fiel ihr Auge auf Jaromir, der bleich, zitternd, betäubt, noch immer in die Flamme starrte. Mitleidig wandte das schöne Herz sich zu dem Unglücklichen, denn sie ahnte nicht den Zusammenhang, sondern glaubte, der Wahn, dessen unheimliche Vorzeichen ihn seit diesen letzten Tagen schon mehrfach angetreten hatten, habe sich nun ganz seiner bemächtigt. »Lieber Jaromir!« redete sie ihn mit innigstem Tone der Liebe besänftigend an und legte die Hand auf seine Schulter.
Er sah sich befremdet um und schien wie aus einem Traume zu erwachen. »Ach!« seufzte er leise aus tiefster Brust und ein seltsam wehmütiges Lächeln schwebte über seine Lippen. »Es ist nichts, Bianka«, sprach Rasinski rasch hinzutretend; er wollte es vermeiden, daß sie erfahre, was geschehen war. »Schlummere nur weiter, wir wachen schon für dich, Liebe!« – »Ach, Lodoiska! hast du mir endlich vergeben –« rief Jaromir plötzlich, und seine Stimme brach in ein lautes Weinen aus und er drückte das Haupt auf Biankas Hand und überströmte sie mit Tränen. »Heiliger Gott, was ist das!« rief diese bebend, wagte aber nicht, die Hand zurückzuziehen.
»Besinne dich, Jaromir!« redete Rasinski ihn ernst an und wollte ihn aufrichten. »Besinne dich, raffe deine Kraft zusammen und erkenne, wo du bist.«
»Ach, Rasinski, sie vergibt mir,« rief der Jüngling aus und sank dem väterlichen Freunde an das Herz; »sie ist eine Heilige, sie zürnt nicht mehr! Um meines sterbenden Boleslaw
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