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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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willkommenste; die Not erhob jede Hütte zu einem Palast; daher eilten sie mit hastigen, wankenden Schritten auf ein kleines, freundliches Haus zu, aus dessen Tür sie ein junges Weib treten sahen, die, gleich einigen Vorübergehenden, die Ankommenden mit erstaunten Blicken maß. Bianka, als des Russischen mächtig, rief der jungen Frau schon aus einiger Entfernung zu: »Könnt ihr uns ein Obdach geben, gute junge Frau? Wir wollen es reichlich belohnen.« Da stürzte diese plötzlich mit dem Ausruf: »Um aller Heiligen willen, Gräfin Feodorowna, was führt euch hierher?« der Kommenden entgegen, ergriff ihre Hände und bedeckte sie mit Küssen. »Was führt euch hierher? Und in diesem Zustande! Barmherziger Gott! Erkennt ihr mich denn nicht?« – »Axinia! du bist es?« rief Feodorowna mit versagender Stimme aus; »Axinia! du unsere Retterin?« Hier schwanden ihr Kraft und Sinne zugleich; sie wankte, Ludwig und Bernhard empfingen sie in ihren Armen; Axinia ergriff das Kind und voraneilend rief sie: »Mir nach, hier herein!«
    So fanden sie nach unermeßlichem Dulden endlich Rettung, Pflege und Liebe. Sie waren zurückgekehrt aus der Wildnis zu wirtbaren Wohnungen der Menschen. Ihr Leben sollte keine Folter mehr sein; freundlich bot ihnen die Wirklichkeit die Hand – der Wechsel war zu unermeßlich; so rasch, wie er eintrat, vermochten sie ihn nicht zu fassen.

Zweites Kapitel.
    Axinia brachte die geliebte Gebieterin, der sie einst ihre Rettung verdankte und der sie jetzt vergelten konnte, sogleich auf ein Lager. Was das kleine Haus vermochte, schaffte sie zur Pflege herbei. Nach wenigen Minuten schon öffnete Bianka das Auge wieder und blickte, mit vollem Bewußtsein, selig umher. »O mein Bruder, o mein Geliebter!« redete sie Bernhard und Ludwig an, die an ihrem Lager saßen, und reichte ihnen die Hand dar. »Ist es denn wahr? Sind wir gerettet? Hat dieser unsägliche Jammer ein Ende erreicht?«
    »Ja, es ist so! Wir zählen uns zu den wenigen von den vielen Tausenden, die dem entsetzlichen Geschick entkamen!«
    »Und welche Hand ist die erste, die mir Rettung beut! – Ach, Ludwig, ich opferte einst viel für dieses freundliche Wesen! Ich opferte ihr meine Liebe zu dir! Freilich wohnte sie damals nur als tiefstes Geheimnis, fast mir selbst unerklärt, in meiner Brust und glänzte unerreichbar fern wie ein schönes Gestirn in der Nacht meines Schicksals; aber sie war auch der einzige Strahl der Hoffnung, der mir lächelte, sie war das einzige Glück meiner einsamen Träume! Doch wie unaussprechlich reich lohnt die gütige Hand des Allmächtigen und wie wunderbar führt sie die Pfade unsers Geschicks! Nun ist es Axinia, die uns aus dem tiefsten Verderben rettet.« Diese war indessen eingetreten und näherte sich mit dem Ausdruck des höchsten Glücks in den Zügen. Bianka fragte sie jetzt nach ihren Schicksalen, nach der Ursache, die sie in Rußland zurückgehalten habe, aus dem sie für immer entfliehen wollte. Mit einem leichten Erröten erwiderte die junge Frau, daß ein zu frühes Kindbett sie überrascht und auf ein langes Krankenlager geworfen habe. Dies zehrte die kleine Reisebarschaft fast auf, und da sich indessen die Gelegenheit für Paul bot, weil er französisch, deutsch und russisch sprach, einen vorteilhaften Dienst als Aufseher in einem Lazarett zu erhalten, nahm er diesen um so freudiger an, als bei den Kriegszeiten seine Aussichten auf Versorgung in Deutschland doch nur sehr unsicher waren und Axinia sich unterdessen völlig von ihrer Krankheit erholen konnte. Dies war nun auch jetzt noch ihr Verhältnis.
    Indem das freundliche junge Weib ihre kleinen Schicksale berichtete, entstand auf der Straße ein seltsames Geräusch und Getümmel. Es versammelten sich Leute in verschiedenen Gruppen, andere liefen eiligst die Gassen aufwärts nach der Mitte der Stadt zu, in allen Häusern öffnete man die Fenster und blickte neugierig heraus. Axinia tat dasselbe. »Heilige Mutter Gottes, was gibt es denn?« rief sie erschreckt aus. »Ach da kommt Paul, er wird uns Nachricht bringen.« Sie eilte hinaus, ihrem Manne entgegen, der, als er durch sie die Kunde von dem, was in seiner Wohnung geschehen war, erhalten hatte, voller Freude eintrat. »Gnädigste Gräfin!« rief er, »darf ich meinen Augen trauen? Und Sie wären mit jener Schar Unglückseliger gekommen, die heulend und wild in die Gassen einbricht? Unmöglich!« – »Wir kommen mit dem Heere,« entgegnete Bianka, »es ist nur zu wahr!« – »Mit dem

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