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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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ist meine Hoffnung größer als meine Furcht.«
    Axinia führte die Ankommenden in ein anderes Zimmer als das, in welchem Bianka in ihrem Halbschlummer lag. Mit welcher Mischung der Freude, des Glücks, der Angst, des Erstaunens vernahmen die Frauen dort den flüchtigen Überblick der Schicksale und Gefahren, welche die Männer in diesem furchtbarsten aller Kriege überstanden hatten! Die Lippe zauderte, von Boleslaws Tod zu sprechen, doch endlich nahm Ludwig das Wort: »Einen unserer nächsten Freunde hat das grausame Schicksal doch unsern Armen entrissen. Boleslaw fiel; er starb einen Heldentod,–er starb schön!«
    Marie weinte sanft in den Armen ihres Bruders und barg ihr mildes Angesicht an seiner Brust. Bernhard saß finster, das Haupt auf seine Hand gestützt und starrte auf den Boden. Lodoiska hörte die Nachricht mit bebender Brust und bleichen Lippen; nur kalte Tränen rollten über ihre Wangen. Waren es Ahnungen, die sie erfüllten, oder war es der Schmerz um den edeln Jüngling, der sie stumm und treu geliebt und dem sie wenigstens ein befreundetes Wohlwollen gewidmet hatte – wer mag es entscheiden? Die Gräfin war aufgestanden und ging, wie sie bei großen Erschütterungen pflegte, heftig bewegt durch das Gemach. »O, ihr seid glücklich,« sprach sie schauernd, »denen die Last des Schmerzes noch in erleichternden Tränen von der Brust hinwegschmilzt. Ich kann nicht weinen; mein Herz ist erstarrt unter der ehernen Hand des Geschickes, die es zermalmend faßt. Ich weine nicht, und ich will nicht weinen. Wahrheit, Gewißheit ist die einzige Gnade, die ich noch von dem Allmächtigen zu erbitten weiß. Sagtet ihr mir alles über Rasinski und Jaromir?«
    Ludwig zögerte zu antworten, denn von Jaromirs Wahnsinn hatten sie geschwiegen; doch Bernhard war entschiedener »Alles,« sprach er schnell, »was sich in die wenigen Striche zusammendrängen ließ, mit denen wir das Gemälde der ungeheuersten Weltereignisse und der wunderbarsten eigenen Schicksale zu zeichnen versuchten.« Die Gräfin stand wie das Marmorbild einer Minerva, unbeweglich, groß emporgerichtet. Ihr dunkles Auge blickte in die trostlose Zukunft hinaus, edler Gram schwebte um ihre Lippe, erhabener Ernst auf ihrer Stirn; lange stand sie schweigend und erstarrt. Da hauchte endlich die Liebe ein sanftes Lächeln über das edle Angesicht gleich einem Sonnenblick, der über die öde, nebelverhüllte Herbstlandschaft streift. »Ich habe ja noch eine Tochter!« rief sie und breitete die Arme gegen die bleiche, zitternde Lodoiska aus, die sich zusammenbrechend an ihre Brust warf. So hielten sie, sich stumm umschlungen, und nur die beklemmten Atemzüge ihrer angst- und schwerbelasteten Brust waren hörbar in diesen Minuten heilig düsterer Grabesstille.

Drittes Kapitel.
    Paul war nach Hause gekommen; seine Erzählungen von dem Zustande der Stadt, um den Bernhard ihn heimlich befragte, konnten wenig Trost erwecken. Überdies brach die Nacht an; man mußte mit der Sonne des nächsten Tages die Wiederkehr der Hoffnung erwarten.
    Die Frauen befanden sich bei Bianka im Gemach, der Ludwig sie jetzt zugeführt hatte. Welche glückselige Stunden der Liebe, der Freundschaft, des heiligsten Dankgefühls hätten sie jetzt feiern können, wenn nicht dieser jüngste Schmerz um die Vermißten alle Herzen so tief zerrissen hätte! Um den Besorgten wenigstens einigen Trost zu schaffen, und damit sie die Nacht nicht in zu banger Spannung durchwachen möchten, beredete Bernhard den wohlwollenden Paul, den Zustand der Stadt günstiger zu schildern, und führte ihn deshalb hinauf in Biankas Zimmer. Dort berichtete Paul der Gräfin, daß nur die erste Verwirrung so schreckenvoll gewesen sei, daß sich jetzt schon alles zu ordnen beginne, die Leute in den Häusern der Bürger wohl aufgenommen der Ruhe pflegten und morgen neu gestärkt erwachen würden. Heute sei das Wiederfinden eines Verlorenen schon um dessentwillen unmöglich, weil jeder, der ein Obdach erreicht habe, sich dort der tiefsten Ruhe, die von allen Bedürfnissen das dringendste sei, überlasse. Die Gräfin hörte diese Mitteilungen schweigend an; sie ergab sich in ihr Geschick, doch drang kein belebender Hoffnungsstrahl in ihre Brust.
    Die unabweisbaren Rechte der irdischen Natur hatten sich an den Übermüdeten geltend gemacht. Bernhard, Ludwig und Bianka lagen in festem Schlaf; doch die Gräfin und Lodoiska wachten in bangem Schmerz. Marie teilte ihre Sorgen, und nicht allein aus innigster Teilnahme der

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