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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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riefen ihr zu zu stehen, doch vergeblich. Ein Schuß, den Bernhard tat, ging fehl, doch da der Fliehende sich unwillkürlich, oder weil er die Kugel pfeifen hörte, bückte, glitt er aus und fiel zu Boden. Ludwig packte ihn zuerst. »He! Wer seid ihr?« rief er den Verdächtigen an, der eine Art von langem, schwarzem Kaftan trug, »weshalb flüchtet ihr?« – »Gott meiner Väter!« bat der Fremde mit kläglichem Ton. »Habt Erbarmen, gnädiger Herr! Was verfolgt ihr einen armen Juden, da er dem Greuel entflieht?« – »Leuchtet her, Paul,« gebot Bernhard, der jetzt ebenfalls herbeigekommen war; »wir müssen zuvor sehen, was das für ein Geschöpf ist, das hier so angstvoll um Erbarmen jammert. Er scheint nicht das beste Gewissen zu haben.«
    Paul hob die Laterne empor, daß der helle Schein derselben auf das Gesicht des Juden fiel. »Teufel! diese Larve sollte ich kennen!« rief Bernhard erstaunt. »Wo habe ich denn dies vermaledeite Gesicht schon gesehen? Freilich die litauischen Rotbärte sehen alle einander ähnlich! Aber ich glaube doch, Jude, du bist der Spion, mit dem wir noch eine Rechnung abzumachen haben, die seit fünf Monden läuft.« Rasinskis Ruf unterbrach diese Worte. »Kommt hierher, Freunde,« gebot er, »hier gilt es, noch Hilfe zu bringen.« Sie wendeten alle drei um und zogen den Juden trotz seines Sträubens und Jammerns mit sich fort.
    »Seht hier das schauderhafteste Verbrechen, das die Menschheit erlebte«, sprach Rasinski bebend vor Zorn und Grausen, als sie näher traten. »Leuchtet hierher! – Seht unsere Kameraden halb nackt herausgetrieben in diese Kälte, geplündert, erwürgt, aus den Fenstern gestürzt! – Ungeheuer,« rief er mit furchtbarer Stimme den zitternden Juden an, »wenn du Schuld hieran trägst, so lasse ich dich lebendig von Hunden zerreißen! Seht hier – hier liegen sie. Es ist namenlos entsetzlich!«
    In einem Winkel, wo ein Haus ein wenig hinter der Reihe der übrigen stand, sah man acht Leichname, halb nackt, nur mit einem Hemd und etlichen zerlumpten Kleidern bedeckt, am Boden liegen. Auf einen dieser Unglücklichen, der noch am Leben war, hatte Rasinski seinen Pelz geworfen, um ihn gegen die schneidende Kälte zu schützen.
    Alle schauderten bei diesem Anblick, an dem sie zuvor in der Eile der Verfolgung vorübergestürzt waren. »Gott Abrahams, ich hebe meine Rechte zu dir auf, ich bin unschuldig an dieser Tat!« rief der Jude. »Verflucht will ich sein mit Kindern und Kindeskindern, wenn ich Anteil daran habe! Sollen mir doch die Raben lebendig die Augen aushacken, soll mein Fleisch verdorren an meiner Hand, wenn mein Eid falsch ist!« – »Er war unter den Mördern,« stöhnte der Verwundete am Boden matt; »er wollte mir die Kehle abschneiden, da der Sturz aus dem Fenster mich nicht getötet hatte und ich um Hilfe rief. Nur euere Ankunft wurde meine Rettung!« – »Scheusal du, entmenschtes, grinsendes Scheusal! Das unnennbare, grausenvolle Elend, das einem Teufel Tränen auspressen muß, konnte dich nicht rühren?« knirschte Rasinski und erhob den Säbel über das Haupt des Juden, um ihm den Schädel zu spalten. Doch dieser warf sich in konvulsivischer Angst auf die Knie und rief händeringend: »Gott Jehova, Erbarmen, Herr Graf, Erbarmen!«
    Ludwig war Rasinski in den Arm gefallen und hielt ihn zurück. »Besudle dich nicht mit diesem Elenden,« bat er dringend; »überlaß ihn dem allwaltenden Rächer!«
    »Du hast recht, ich muß anders verfahren«, erwiderte er schnell gefaßt. – »Wähnst du, ich erkenne dich nicht?« sprach er mit dem Ausdruck des tiefsten Abscheues zu dem Juden, der seine Füße umklammerte. »Ich erkenne dich, wie du mich erkanntest, feiler, erkaufter, elender Betrüger, der schon einmal der gerechten Rache entrann! Nichts könnte dich retten, wenn nicht selbst ein Ungeheuer wie du ein Werkzeug des Himmels werden könnte. Ich weiß, der ganze Auswurf der Deinigen brütet hier Taten der Hölle aus, zu denen die Megäre der Habgier euch stachelt. Gehe denn hin und verkünde deinen Mordgenossen, daß, wenn ich morgen hier in diesen Häusern auch nur einen Leichnam, nur eine Spur der Gewalttat entdecke, so lasse ich sie alle in Asche legen, und euere Gebeine soll die Flamme vertilgen, und ich selbst will den Säugling in die Glut schleudern! Fort, Ungeheuer! Doch zeichnen will ich dich, daß du nicht entkommst!« Bei diesen Worten trat er ihm dreimal mit dem Fuße ins Antlitz, daß der Jude brüllend wie ein Tier aufheulte und

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