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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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schön und rein, wie sie einst in ihm wohnte! Ach, der Tod trennt ihn ja nicht so schrecklich von mir als dieses düstere Gefängnis, in dem er gebunden liegt; denn hast du ihn hinweggenommen, so wohnt er im ewigen Licht bei dir, und der Gedanke schwingt sich tröstend zu ihm auf. Jetzt aber hauset er wie ein Verdammter in der Finsternis; sein Geist irrt im wilden Chaos und findet nirgends eine Stätte der Ruhe, des Trostes! O, schließe ihn los von diesen glühenden Banden, die ihn an den starren Fels der Verdammnis ketten – o sei milde, du Allbarmherziger, und laß dich diesen namenlosen Jammer rühren!« So lag sie kniend und tat fromme Gelübde der Buße, wenn ihr Erhörung würde.
    Allgemach wich die unendliche Nacht, und ein grauer Schimmer der Dämmerung fiel in das Gemach. Sie trat ans Fenster. Der Himmel war hell; das Licht erbleichender Sterne blinkte noch mit letztem matten Glanze durch das tiefe Blau. Am südöstlichen Horizont glimmte ein rötlicher Schein und färbte das leichte Gewölk. Lodoiska stand in tiefes Sinnen verloren, und Tränen verdunkelten ihr Auge; aber sie waren milde, sie entquollen einem heiligen Vertrauen, das ihre Brust nach den fernen Qualen mit sanfter wehmütiger Hoffnung erfüllte. Sie wandte das Haupt nach dem Lager des Freundes. Er schlief still und atmete ruhig; ja, ein Lächeln schwebte über seine Lippe, und der erste dämmernde Rosenschimmer des Tags fiel auf die blassen Wangen.
    Es war nicht mehr die Betäubung des Wahnsinns, die ihn fesselte, sondern ein erquickender Schlaf, der der Erschöpfung folgte. »Heilige Mutter Gottes, umschwebe du ihn mit segnender Nähe!« flehte Lodoiska und nahte sich zitternd. Eine süße Beklemmung der Freude drang in ihr Herz, die Hoffnung dämmerte ihr auf, das Auge des Erwachenden werde die Geliebte erkennen. Mit zurückgehaltenem Atem über ihn gebeugt, lauschte sie auf den Hauch seiner Lippen, auf den Schlag seines Herzens. »O, er genießt jetzt einer milden, erquickenden Ruhe«, rief sie innerlich jauchzend und sank in heißem Dankgefühle auf die Knie vor sein Lager.
    Die Morgenröte erfüllte das Gemach mit mildem Duft; sie glänzte wider von dem Angesichte des Schlummernden. Plötzlich schlug er das Auge auf und sprach matt: »Nun ist's vorüber!« Sein Blick war nicht mehr wild und verwirrt; ein sprachloses, seliges Staunen malte sich in seinen Zügen. Ein Himmel des Entzückens senkte sich in Lodoiskas Brust; doch mit heldenmütiger Stärke bezwang sie sich, weil sie bebte, durch einen plötzlichen Ausbruch der Freude das zarte, neugewobene Band des Bewußtseins wieder zu zerreißen. Zitternd blieb sie auf den Knien liegen und fragte mit lispelndem Laute der Liebe: »Ist dir besser, lieber Freund?« Er faltete die Hände über die Brust, erhob das Haupt ein wenig und sprach leise, mit dem Tone schauernder Verehrung: »O, ich erkenne dich, du Heilige, von goldenem Himmelsglanz umflossen; du bist nun eine Selige, und auch mir öffnen sich die Pforten des Friedens. O, reiche mir zum Zeichen der Versöhnung deine Hand!« Er weilte noch unter seinen Traumgestalten, in denen er vor allen Lodoiska gesehen; jetzt, wie sie vom Morgenrote umstrahlt, mit herabwallenden Locken vor ihm kniete, zogen die erblassenden Gebilde des Traumes, allmählich verschwimmend, in die Wirklichkeit hinüber, und er wähnte jenseits erwacht zu sein.
    Sie reichte ihm die milde Hand und fragte mit dem süßen, brechenden Ton der Liebe, der in Tränen des Entzückens versiegt: »Erkennst du mich endlich wieder? O, du hast schwer geträumt! Ich bin es, mein Jaromir, lebend und wirklich, liebend und glückselig!«
    »Heiliger Gott!« stammelte er, »wo bin ich denn, wo war ich – nein, nein, ihr furchtbaren Gespenster der Nacht, kehrt nicht wieder aus dem grausen Dunkel!« Er machte eine abwehrende Bewegung mit der Hand und blickte scheu seitwärts. Lodoiska, als wolle sie ihn an ihrer Brust vor den Schrecklichen verbergen, schlang liebend und zitternd den Arm um seinen Nacken und zog ihn, sanft küssend, an sich. »Nein, nein, Lieber,« sprach sie mit schmelzendem Ton der Stimme, »fürchte nichts, du lebst und ruhst an meinem Herzen; hier soll kein furchtbarer Traum dich quälen.«
    In seliger Trunkenheit drückte er das Antlitz an die Brust der Geliebten; und als seine Wange an ihrem Herzen ruhte und sein Ohr den pochenden Schlag vernahm, da erwachte er ganz wieder zur Wirklichkeit und Wahrheit, und zerrissen war der Schleier, der seine Seele finster

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