1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
einzeln vorwalteten, vielleicht aber bei den meisten zu gleichen Teilen gemischt waren.
Es war der 15. Mai. Ludwig hatte Schwester und Mutter bis zu dem Hause einer Freundin geleitet, aus dessen Fenstern die Frauen den Einzug des Kaisers gemächlich mit ansehen konnten. Er selbst zog es vor, auf den Gassen unter den treibenden und wogenden Massen des Volks zu bleiben, die sich in erwartungsvoller Unruhe auf und ab bewegten.
Plötzlich rief ihn eine Stimme unvermutet an. Es war Rasinski, der auf einem prächtigen polnischen Schimmel an langen Reihen von Soldaten hinabsprengte. Er hielt das edle Tier, auf dem er ritt, ganz leicht im Zügel; denn mehr bedurfte es nicht, da das Roß, so feurig es schien, von dem gewandten, sichern Reiter spielend gebändigt wurde und ihm nach dem Wink und Druck des Fingers gehorchte.
»Guten Abend, lieber Freund vom Sankt Gotthard«, rief er Ludwig an. »Daß wir uns heute schon wiedersehen würden, hätte ich nicht geglaubt, denn es ist ein gar beschäftigter Tag für uns. Ich habe mich schon beritten gemacht, wie Sie sehen; Boleslaw und Jaromir laufen noch nach Pferden umher. In einer Stunde wird der Kaiser hier sein, und ich weiß, sie zahlen gern den doppelten Preis, um nur noch in seinem Gefolge sein zu können, wenn er hereinreitet.«
Da Ludwig mit einem Offizier sprach, ließen die bärtigen Krieger, von denen dieser umgeben war, ihm unbedenklich eine Lücke zum Eintreten. Er reichte Rasinski die Hand. Als er den schönen Mann in der glänzenden Uniform so stolz und leicht zu Roß erblickte und aus dem schwarzen Auge die kriegerische Freude leuchten sah, die ihn selbst über den tiefen Schmerz um sein Vaterland erhob, regte sich in seiner Brust fast ein Gefühl des Neides auf den Stand, der das Leben so frisch, so brausend und schäumend genießt, weil er nur der nächsten Gegenwart gewiß ist. Es war ihm, als werde sich jede trübe Zukunft vergessen, jeder Schlag leicht vermeiden lassen, ja, als müsse das Geschick da alle Macht auf das menschliche Herz verlieren, wo es uns nicht mit kommenden Trübsalen bedrohen, nicht durch ferne Hoffnungen reizen kann, sondern die Schere der Parze den Faden jeden Augenblick abzuschneiden bereit ist, und der Mensch daher nur um Stunden, nicht um Jahre des Glückes buhlt und wirbt.
»Sie betrachten mich ja so aufmerksam,« fragte Rasinski; »fällt Ihnen etwas an mir auf?« Ludwig wollte entgegnen, als plötzlich der wirbelnde Schall der Trommeln ertönte und die Krieger ihre Reihen schlossen und ordneten, so daß er eiligst zurücktreten mußte. Ein General kam mit vielem Gefolge vom Schlosse herangesprengt; es war der König von Neapel in seiner von Gold strotzenden, phantastischen Uniform (sie glich am meisten der der Husaren), welcher auf einem andalusischen Goldfuchs in wahrhaft königlicher Haltung durch die Gassen ritt, um sich zum Empfange des Kaisers vor den Freiberger Schlag zu begeben. Sein funkelndes Auge flog rasch über die Scharen dahin; er schien zufrieden. Rasinski hatte sein Roß seitwärts etwas zurückgezogen und begrüßte den General mit Ehrfurcht; dieser hielt an, sprach einige Worte mit ihm und drückte ihm sogar die Hand. Man sah, daß diese auszeichnende Behandlung dem ganzen Gefolge eine gewisse Achtung vor dem polnischen Offizier einflößte, denn selbst die Generale boten ihm, als derselbe sich jetzt in ihre Reihen setzte, um sich dem Gefolge anzuschließen, einen ehrenvollen Gruß.
Die prächtige Schar der Reiter, unter denen sich Marschälle, Generale, die angesehensten Stabsoffiziere und auch viele deutsche Fürsten befanden, sprengte rasch dahin, die Schloßgasse hinunter, dem Wilsdruffer Tore zu, durch welches der Kaiser einreiten sollte. Eine freudige Keckheit, man möchte sagen, ein kühner Übermut, war fast in aller Zügen sichtbar. Ludwig stand noch in Gedanken verloren und überließ sich dem Gange seiner Gedanken, als der rasselnde Galopp einiger Pferde bewirkte, daß er sich umwandte. Es waren die beiden jüngern Polen Boleslaw und Jaromir, die auf das eilfertigste heransprengten, um dem Zuge nachzukommen. Auch sie bemerkten Ludwig und warfen ihm im Vorüberfliegen einen freundlichen Wink und Gruß mit der Hand zu.
Ihr Glücklichen! dachte er; was vermöchte wohl euern freudigen Mut zu trüben, die ihr der Zukunft mit keinem andern Begehren entgegengeht, als in jedem Augenblick euer Leben an eure teuersten Wünsche zu setzen! Ihr gewinnt, wenn ihr siegt und euer Ziel erreicht, ihr verliert nicht,
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