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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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uns eine Flasche Syrakuser, Signor Longo, oder Lacrimae Christi,« rief er im Eintreten; »aber sorgt, daß sie feurig, aromatisch, lieblich und mächtig, kurz, daß sie echt sei. Komm hier ans Fenster, Ludwig, daß wir den Pöbel vorbeitreiben sehen und an seiner Bewegung wie an einem Barometer abmessen, wenn es Zeit ist, uns unter ihn zu mischen, damit wir den Kaiser nicht versäumen.«
    Der Wein kam, die Jugendfreunde stießen an; Bernhard leerte das Glas, Ludwig hatte nur leicht gekostet. »Ich muß dir nur,« begann Bernhard, »vorweg eine Rede halten, damit ich nicht in falschen Verdacht komme. Du könntest glauben, ich sei ein Säufer geworden, weil ich das Glas mit diesem edeln Blut so hinunterstürze wie ein Vampir das Herzblut. Nein, Bruder! Nur an einem hohen Festtage zünde ich solche Freudenfeuer an, dann will ich aber, daß sie ein wenig rasch auflodern. Monatelang leb' ich streng wie ein Kartäuser oder Spartaner. Aber von Zeit zu Zeit muß man den Lebensbodensatz, den der beste Kerl so gut abscheidet wie das edelste Metall, in solchem Feuer verflüchtigen. Im Grunde genommen ist es der erdige Leib des Philistertums, den man auf diesem rein flammenden Scheiterhaufen verbrennt, damit die Seele sich reinige wie Asbest und wieder frei werde von ihren Banden und jauchzend auffliege wie der Phönix aus der Asche. Ich habe jetzo etliche Monate stark angesetzt, so daß Herz und Seele in dem erdigen Gehäuse, das sich um sie herumlegt wie die Schale um die Perle, beinahe ersticken mußten, und die armen Dinger sich die Flügel lahm schlugen in dem verfluchten Käfig; denn ich begleitete einen englischen Lord auf seiner Reise nach Deutschland – warum, sage ich dir ein andermal –, deshalb ist's Zeit, daß ich die Lunte ins Pulverfaß werfe und den Plunder aufsprenge. Stoß an! Was wir lieben! Es ist und bleibt meine alte Gesundheit.«
    Ludwig hob das Glas, stieß an und leerte es mit tiefer Bewegung. Er machte jetzt die Erfahrung, daß, wenn unsere Seele von irgend etwas erfüllt ist, sie auch durch alle zufälligen äußern Ereignisse und Beziehungen darauf zurückgeführt wird, und nichts so fremd ist, das nicht in irgendeine Bedeutung dazu trete. Freilich, die Erinnerung durch Bernhards Trinkspruch lag nahe genug; allein auch jedes andere Verhältnis, jede andere Begebenheit fand stets in ihm einen Verknüpfungspunkt mit dem Gegenstande seiner Liebe. In der Einsamkeit beschäftigte er sich mit ihr; im tobenden Gewühl bildete sie den Gegensatz zu dem, was ihn umgab, wie der Schiffer mitten im stürmenden Meere allein den stillen Glanzpunkt des fernen Leuchtturms im Auge behält.
    Auch Bernhard wurde, nachdem er getrunken, einen Augenblick still und blickte nachdenklich vor sich hin; irgendeine milde, aber wehmütige Erinnerung, das bemerkte selbst Ludwig in seiner eigenen Bewegung, glitt über die kühne, trotzige Stirn hin, wie wenn zerrissenes, unruhig treibendes Gewölk sich einen Augenblick öffnete und uns den stillen Mond, in sanfter Himmelsbläue schwimmend, wahrnehmen läßt. Aber er verscheuchte den Eindruck schnell wieder, indem er einige übermütige kecke Blitze durch den gewitterschwülen Horizont kreuzen ließ, als sei er besorgt, sich verraten zu haben.
    »Was wir lieben,« rief er; »feurige Küsse oder feurigen Wein! Eine keusche Muse oder eine lockende Aspasia! Mein Toast legt wenigstens niemand Ketten oder Hemmschuhe an. Wer im Morast damit stecken bleiben will, mag es haben; wer die Fittiche spreizt, um zu den Sternen zu fliegen, glückauf! wer im stillen sein eigenes Wohl trinkt, – ins Teufels Namen, ich will's ihm auch nicht verbieten, ja ich tue es sogar selber. Denn zuletzt kommt es ja doch immer nur darauf an, worein wir unser Wohl setzen. Der letzte Reflex bleibt doch das Ich. Aber trink aus, Ludwig, und sei vernünftig und erzähle, wo hast du gesteckt die vier Jahre, daß wir uns nicht gesehen?«
    Ludwig berichtete in wenigen Worten von seinen Studien und seiner Reise; doch er schwieg von Bianka.
    »Und ich,« nahm Bernhard das Wort, »kann ebenso kurz sein. Ein Jahr, nachdem du fort warst, kopierte ich immer drei Narren- oder Affengesichter zwischen einem Raffael, ungefähr wie die Soldaten nach drei Tagen strengen Arrests einen mildern haben, mit besserer Kost als Wasser und Brot. Dann warf ich mich auf die Genremalerei und wußte nicht ungeschickt Stallbuben, Viehmägde, alte Vetteln beim Spinnrade, Zahnbrecher, besoffene Bauern, Betteljungen, ja sogar Schweinekoben und

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