1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
alles, was ich in dieser Hinsicht zu tun vermochte, wie du gleich hören wirst, vereitelt. Nach einer guten Stunde erschien der Fremde wieder; es war schon ganz finster, so daß ich nicht recht weiß, wohin ich geführt wurde. Ich glaube jedoch, es war eins der Nebengebäude des Schlosses. Nachdem ich eine schmale Treppe hinaufgestiegen, einen ziemlich langen Korridor heruntergegangen war, wurde ich in ein Zimmer geführt, wo ich denselben Mann mit dem Orden der Ehrenlegion antraf, der uns diesen Nachmittag im Garten begegnete. Er sprach nur französisch. Ich beschwerte mich über meine Verhaftung. Er lächelte, zuckte die Achseln und meinte, ich werde den Grund derselben wohl kennen. Hierauf schritt er zu einem förmlichen Verhör und verlangte zuvörderst meinen Namen zu wissen. Ich erklärte ihm, ich würde mich nicht eher nennen, bis ich den Grund meiner Verhaftung wüßte.«
»›Sie sind des Hochverrats angeklagt‹, rief er heftig. – ›Und durch wen?‹ fragte ich kalt. – ›Durch diesen Herrn‹, erwiderte er und zeigte auf den Fremden. – ›Ich kenne diesen Herrn nicht‹, erwiderte ich unwillig. – ›Er aber Sie desto besser‹, antwortete mein Inquirent in heftigem Ton. – ›Nun denn,‹ sprach ich ebenfalls gereizt, ›wenn dieser Herr mich des Hochverrats anklagt, so wird er auch imstande sein, Ihnen meinen Namen zu sagen, den ich verweigere, weil ich das Gericht, vor dem ich stehe, nicht anerkenne.‹«
»Der Fremde wußte auf diese Worte nichts zu antworten, sondern stand mit tückischer und verlegener Miene da. Endlich flüsterte er dem, der sich zu meinem Richter aufgeworfen hatte, einige Worte ins Ohr. Hierauf sprach dieser: ›Es versteht sich ganz von selbst, daß wir Ihren Namen kennen, mein Herr, aber die Form des Verhörs verlangt, daß Sie selbst sich nennen.‹«
»›Ja, die Form des gesetzlichen Verhörs‹, erwiderte ich.«
»Mein Inquirent wurde rot vor Verdruß über diesen Einwurf. Er ging einigemal auf und ab, dann zog er sich mit meinem Ankläger in ein anstoßendes Gemach zurück. Nach einer guten Viertelstunde erschienen beide wieder. Der Inquirent ging stolz auf mich zu und sprach: ›Man wird Sie jetzt an einen Ort bringen, der vielleicht einigen Einfluß auf Ihre Hartnäckigkeit hat. Sie werden diesem Herrn folgen.‹ Jetzt fielen mir Mutter und Schwester, ihre Sorge, ihre Angst ein. – ›Sie werden mir doch erlauben, daß ich einige Freunde, mit denen ich hier im Orte bin, von meinem Schicksal benachrichtige‹, sprach ich heftig. – ›Ich kann Ihnen das nicht gestatten‹, entgegnete mein Inquirent. – ›Wie!‹ rief ich, ›scheut Ihre Gerechtigkeitspflege so das Tageslicht? Dies ist das Verfahren eines Inquisitionsgerichts!‹ – ›Ein Verhafteter, der sich nicht nennen will, kann unmöglich auf Vergünstigungen dieser Art Anspruch machen.‹«
»›Nun wohl denn,‹ rief ich, ›ich werde mich nennen, sobald ich die Meinigen benachrichtigt habe und somit jemand frei weiß, der gegen die willkürliche Gewaltsamkeit meiner Haft protestieren kann. Ich schreibe zwei Zeilen; in zehn Minuten kann ich sie unterschrieben zurückerhalten. Sowie dieser Beweis, daß die Meinigen unterrichtet sind, in meinen Händen ist, werde ich jede billige Frage Ihres Verhörs beantworten.‹«
»Mein Inquirent schien unschlüssig. Nach einer kleinen Pause erwiderte er jedoch: ›Ihr Verlangen ist durchaus unzulässig; ich kann Ihnen gar keine Kommunikation mit den Ihrigen gestatten. Übrigens werden wir wohl Mittel finden, dasjenige von Ihnen zu erfahren, was wir wissen müssen. Auf Wiedersehen.‹«
»Mit diesen Worten empfahl er sich. Ich war in heftiger Wallung. Die Vorstellung, die ich mir von der Angst meiner Mutter machte, wenn ich verschwunden sein würde, ohne daß sie auch nur die leiseste Spur von mir haben sollte, bewog mich, meinen Widerwillen gegen den Fremden so weit zu überwinden, daß ich den Trotz gegen ihn aufgab und mich ihm in mildern Formen näherte. ›Ich hoffe es von Ihrer Menschlichkeit, mein Herr,‹ sprach ich, ›daß Sie mir gestatten werden, meine Freunde wenigstens durch eine mündliche Botschaft zu benachrichtigen, damit sie nicht vergebliche Sorge um mich tragen.‹ – ›Ich kann nur meinen Auftrag vollziehen‹, antwortete er mit schneidender Kälte. – ›Und worin besteht derselbe? Hoffentlich werde ich doch erfahren dürfen, wohin man mich bringt.‹ – ›Der Augenschein wird es Sie zeitig genug lehren‹, lautete seine
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