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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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heimlichen Richtern oder Gewalthabern im ersten Augenblicke zu entreißen, um ihn nachher durchaus zu retten und zu sichern. Er sprach daher leise zu Jaromir: »Ich fürchte, hier ist ein Bubenstück im Spiele, und ich habe meine ganz besondern Ursachen zu diesem Argwohne. Gelänge es uns, unsern Freund nur aus der Gewalt dieser drei Leute zu befreien, ihm einen einzigen Wink zu geben, so wollen wir schon Mittel finden, ihn anderweit zu retten. Wollen Sie mir in meinem Wagestück beistehen?«
    Jaromir, welcher wußte, was er wage, wenn er als Soldat eine Wache, insbesondere aber die fast geheiligten Personen zweier französischen Gendarmen verletze, fand das Unternehmen sehr bedenklich; indes fühlte er auf der andern Seite so viel Freundschaft für Ludwig, daß er es nicht zurückweisen zu dürfen glaubte. Auch besaß er jenen Jünglingsleichtsinn, der die Folgen einer Tat nur obenhin bedenkt, oder vielleicht war es ein tieferer Zug des polnischen Nationalcharakters, der das Verwegene keck beginnt und den Ausgang nicht berechnen will noch kann. Kurz, er sagte zu.
    »Gut denn,« sprach Bernhard; »und für uns soll gar keine Gefahr dabei sein, wenn wir geschickt verfahren. Der Weg, auf dem wir gehen, ist erhöht; hier rechter Hand an der Hügelwand läuft ein schmaler Graben zur Ableitung des Wassers hin, der aber tief genug ist, daß jemand, der hineinfällt, einige Minuten Zeit braucht, um wieder herauszukommen; links senkt sich der Weg nur drei bis vier Fuß steil ab. Wenn wir jetzt den Gendarmen leise nacheilen, uns dann plötzlich auf sie stürzen, den einen rechts in den Graben, den andern links die kleine Anhöhe hinunterstoßen und dann beide vereint den Mann im Regenmantel niederrennen, so haben wir Zeit genug, mit Ludwig zu fliehen.«
    Es galt kein längeres Verabreden. Leise, auf den Zehen, aber doch mit größter Schnelligkeit folgten die gewandten Jünglinge dem Zuge, der den gefangenen Freund geleitete; unbemerkt waren sie bis auf zehn Schritte nahegekommen. Ludwig befand sich noch wie zuvor in der Mitte zwischen beiden Gendarmen, deren einer links nahe am Rande des Weges, der andere rechts neben dem Graben hinschritt. Einige Schritte voran ging der Fremde im Mantel mit der Laterne. »Ich nehme den rechts,« flüsterte Bernhard; »jetzt!«
    Wie zwei ansprengende Wettrenner stürzten die beiden kecken Angreifer vorwärts, indem sie zugleich ein lautes Geschrei erhoben. Noch ehe sich die Gendarmen umwenden konnten, rannten beide Läufer schon so fest und gewaltsam gegen sie an, daß der eine links, der andere rechts hinuntergeschleudert wurde, ohne einmal recht zu wissen, was und wie ihnen geschah. Verabredetermaßen wollten beide jetzt auf den Fremden los; doch dieser ersparte ihnen die Mühe; denn sowie der erste Ruf der Angreifenden erschallte, hatte er schon, da er nicht das beste Gewissen haben mochte, seine Laterne weit von sich geschleudert, so daß sie verlöschte, und lief, was er vermochte, den Weg weiter hinunter. Bernhard fand nicht für gut, ihm nachzusetzen, sondern raunte nur dem höchst betroffenen, unbeweglich dastehenden Ludwig zu: »Wir sind gute Freunde; flüchte mit uns!« Zugleich ergriff er ihn beim Arme und rief: »Mir nach!« Ludwig erkannte ihn sofort und säumte nicht, ihm zu folgen; da dem Gendarmen im Fallen gleichfalls die Laterne verlöscht war, so begünstigte die tiefste Finsternis diese seltsame Flucht. Alle drei jungen Leute schossen in der Dunkelheit pfeilschnell dahin, des Weges, den sie gekommen waren, zurück. Bernhard rief im Laufen den andern leise zu: »Immer mir gefolgt! Wir müssen beieinander bleiben, so behalten wir im Notfalle noch die Übermacht.«
    Schon ein gutes Stück mochten sie gelaufen sein, als sie hinter sich zwei Schüsse fallen hörten. Es waren die Gendarmen, die ihre Karabiner nach der Richtung abfeuerten, in der die Freunde entflohen. – »Schießt nur!« rief Bernhard. »Wir hören nicht einmal eure Kugeln pfeifen, geschweige daß sie uns träfen.«
    An der Entfernung des Knalles sowie an dem Zeitraum, der verflossen war, bis die Schüsse fielen, konnten die Läufer hinlänglich abnehmen, daß sie sich in vollkommenster Sicherheit befanden. Doch setzten sie ihren Weg noch so eilig als möglich fort. Jetzt bog sich ein Seitenweg links den Berg hinauf. Bernhard schlug ihn ein; als man etwa hundert Schritte aufwärts gelangt war, sprach er: »Nun langsam, sonst verlieren wir Kraft und Atem! Vorläufig sind wir in Sicherheit; nur kein Wort

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