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1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

Titel: 1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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und als Feldherr auch harte Entscheidungen treffen.
    Mit dem Opfer jener dreißigtausend Mann, die in Leipzig feststeckten und nun den Alliierten in die Hände fallen würden, hatte er soeben den Rest der Grande Armée gerettet.
    Es war noch lange nicht vorbei. Seine Feinde irrten sich, wenn sie glaubten, ihn schon besiegt zu haben.

Siegesparade
    Leipzig, 19 . Oktober 1813
    L udwig Hußel, der aufmerksame und gründliche Beobachter der Ereignisse in seiner Stadt, erlebte den Sturm auf Leipzig an einem überraschenden Ort und in einer für ihn überraschenden Gesellschaft. Er war wie immer auf den Straßen unterwegs gewesen, um ja nichts zu verpassen, obwohl Kugeln umherzischten, Trümmer und Ziegel herabstürzten und Menschen durcheinanderrannten: französische Soldaten und Rheinbündler, Zivilisten in panischer Angst, ob es nun besser sei, in ihren Häusern oder unter freiem Himmel zu bleiben.
    Doch als tosender Lärm und Jubel davon kündeten, dass die ersten alliierten Verbände das Grimmaische Tor gestürmt hatten, sprach ihn der wie immer in feines Tuch gekleidete Kaufmann Frege an, der in Begleitung eines weiteren Mannes auf dem Weg zu seinem Haus in der Katharinenstraße war.
    »Ich weiß, dass Sie als Augenzeugen dabei sein wollen, um für die Nachwelt zu berichten. Aber Sie sollten jetzt beide von den Straßen fort. Kommen Sie in mein Haus und schauen Sie vom Fenster aus zu, das ist sicherer.«
    Hußel fühlte sich einerseits sehr geschmeichelt, andererseits nicht ganz wohl in seiner Haut. Er war ein Kaufmann und Schriftsteller, mehr oder weniger. Ein kleiner Kaufmann und ein Schriftsteller, dessen große Veröffentlichung erst bevorstand. Frege hingegen war einer der bedeutendsten Kaufleute des Landes, und sein Begleiter Friedrich Rochlitz ein richtiger Schriftsteller, der sogar mit Goethe korrespondierte! Und Hofräte waren die beiden auch noch!
    Christian Gottlob Frege ließ ihm allerdings keine Zeit für Bedenken und Ausflüchte, sondern öffnete einfach die Tür seines Hauses und wies das Dienstpersonal an, die Gäste in den Salon zu führen. Er selbst hatte die Nacht in der Lazarettverwaltung zugebracht und wollte sich erfrischen und die Kleidung wechseln. In Kürze würden sicher auch die Alliierten mit ihm über die Lage in den Lazaretten sprechen wollen.
    Vom Fenster aus beobachteten Ludwig Hußel und Friedrich Rochlitz den Sturm der Alliierten auf die Stadt. Und nachträglich waren sie beide froh, wenigstens ein Minimum Distanz zu dem zu haben, was sich auf den Straßen abspielte. Die Stadtbewohner waren inzwischen allesamt in ihre Häuser geflüchtet, hatten weiße Tücher in die Fenster gehängt und jubelten den Alliierten zu.
    Jetzt kämpften Soldaten und Offiziere zu Fuß und zu Pferde mit Schusswaffen, Säbeln, Degen, Bajonetten. Blut floss in Strömen, Schmerzensschreie gellten, Menschen stürzten zu Boden, zerfetzt, verstümmelt, in Stücke gehauen. Bis die Franzosen die Waffen streckten.
    »Wie kann man darüber jemandem berichten, der es nicht gesehen hat, ohne dass es unerträglich wird?«, fragte Hußel erschüttert.
    »Es
ist
unerträglich«, antwortete Rochlitz düster.
    »Muss man nicht wenigstens irgendwo einen Funken Menschlichkeit aufglimmen lassen, damit wir nicht ganz an uns und der Menschheit verzweifeln?«, sinnierte Ludwig Hußel. »Irgendeine herzerwärmende Episode … von Menschen aus gegnerischen Lagern, die sich wiedersehen, nachdem sie sich schon einmal das Leben gerettet haben? Ein … Pawel Andrejewitsch oder Boris Petrowitsch, der in Russland aus Mitleid einen braven Sachsen bei sich aufnahm, einen … Feldscher, der … seine Tochter kurierte. Nun stoßen sie hier zufällig aufeinander, Petrowitsch rettet den braven Sachsen, und glücklich umarmen sie sich?«
    Friedrich Rochlitz blickte skeptisch drein. Das schien ihm doch zu dick aufgetragen. Aber nach einiger Überlegung gab er seinem Kollegen recht. Es war zu schlimm, was hier vor ihren Augen ablief. Das konnte niemand ertragen. Nicht einmal, wenn er davon nur las.
     
    Kurz nach ein Uhr mittags ritten die Monarchen der alliierten Länder zur Siegesparade auf dem Markt. In Teilen der Stadt wurde noch gekämpft, aber die Leipziger bejubelten sie euphorisch.
    Wen kümmerten in diesem Moment die Schreckenstage, die Toten und das Blut auf den Straßen, der Hunger, die Not, die ihnen unweigerlich bevorstand?
    Bonaparte war besiegt, die Schlacht vorbei, und ihre Stadt existierte noch. Alles würde nun gut

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