1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
aus Leipzig entkommen?
Zur Freude der Leser – so hoffe ich es – habe ich in diesem Roman auch einigen Personen einen Kurzauftritt gegönnt, die erst in späteren Jahren zu Ruhm kommen sollten. August Breithaupt wurde ein angesehener Mineraloge und entdeckte und beschrieb mehr als vierzig neue Minerale. Der junge Musiklehrer Anschütz, der am Leipziger Neumarkt als Nachbar der erfundenen Figuren Greta und Hermann wohnt, wurde später als Komponist so volkstümlicher Lieder wie
O Tannenbaum, Fuchs, du hast die Gans gestohlen
und
Wenn ich ein Vögelein wär
bekannt. Und der zur Zeit der Romanhandlung erst sechsjährige Anton Philipp Reclam sollte einmal einer der bedeutendsten Verleger seiner Zeit werden.
Wenn Sie aufmerksam lesen, finden Sie noch mehrere solcher Anspielungen. Zum Beispiel die Frau Wagner mit ihrem kleinen Richard. Vielleicht wurden seine späteren Kompositionen so schwermütig, weil er in dem vom Krieg noch für Jahre gezeichneten Sachsen eine schwere Kindheit verlebte?
Trotz meiner Zusicherung, mich so genau wie möglich an die Historie zu halten, werden einige von Ihnen protestieren: Im Geschichtsunterricht haben wir das alles ganz anders gelernt! Stimmt.
Wer sich ernsthaft mit dem Jahr 1813 und der napoleonischen Ära insgesamt beschäftigt, wird bald feststellen, wie sehr dieses Thema bis heute von Mythen und Lügen bevölkert ist.
Das beginnt bei den Berichten über Schlachten noch am gleichen Tage, wo Zahlen gefälscht wurden, um die eigene Seite besser darzustellen. Gerade Napoleon war ein Meister der Manipulation. Als erster Herrscher nutzte er auch die Medien – insbesondere seinen
Moniteur
– so umfassend, um Propaganda zu betreiben und die Menschen in seinem Sinne zu manipulieren. Es funktioniert bis heute. Die Legende vom »General Winter«, der ihn in Russland besiegt habe, und auch die vom »kriegsentscheidenden Verrat« der paar übergelaufenen Sachsen halten sich hartnäckig.
Doch da die Geschichte immer von den Siegern geschrieben wird, blieben ihm die Preußen nichts schuldig. Das Bild der siegreichen Preußen überstrahlte fortan alles andere; was aus Sachsen wurde, fiel unter den Tisch.
Und der Mythos Lützower! Sie waren wirklich nicht gerade eine Elitetruppe, das wissen alle, die sich ernsthaft mit diesem Thema befassen. Aber aus Propagandazwecken wurden sie von Anfang an dazu erklärt und noch Generationen später immer wieder missbraucht – stets so, wie es gerade in die Zeit passte. Wie insgesamt das ganze Thema.
Historiker stellen heute die Bezeichnung »Befreiungskriege« oder »Freiheitskrieg« für diese Epoche grundsätzlich in Frage. Trotz aller patriotischen Verbrämung, trotz des Engagements der Reformer: Seitens der Herrscher waren durchgreifende Reformen des Systems nie vorgesehen. Es war von Anfang an ein reiner Landverteilungskrieg, der durch stehende Heere entschieden wurde.
Volkserhebungen gab es nur ansatzweise in Tirol, Hamburg, Lübeck und Lüneburg, und die wurden gewaltsam abgewürgt. Aber da wäre jede ein Thema für sich, das konnte ich hier nur streifen.
Durch neuere Forschung hinfällig geworden ist auch das Bild vom armen, hilflosen sächsischen König, der doch gar keine Handlungsmöglichkeiten hatte. Trotz seines Beinamens »der Gerechte« und seiner Popularität bei den Sachsen – insbesondere nach der hervorragend inszenierten Rückkehr aus preußischer Gefangenschaft – war Friedrich August I. weder gutmütig noch hilflos. Er beherrschte das Spiel um Macht genauso wie alle anderen Herrscher und ließ nichts unversucht, um sein Land nicht nur zu erhalten, sondern nach Möglichkeit auch auf Kosten anderer zu vergrößern. Die Liste seiner Gebietsforderungen, die er im Roman dem Grafen von Einsiedel diktiert, spricht Bände – und die ist nicht erfunden, sondern nach der Originalakte aus dem Sächsischen Hauptstaatsarchiv zitiert, publiziert von Professor Rudolf Jenak aus Dresden. Ebenso wie die Briefe des sächsischen Königs an Napoleon und der Bericht General Gersdorffs über seine Verhandlungen mit dem Zaren.
Vieles finden Sie in diesem Buch neu bewertet, wobei ich mich auf solide Quellen und neueste Forschungen stütze. Manchen muss ich vom Denkmal schubsen, der keines verdient. Andere kann ich rehabilitieren.
Zum Beispiel Thielmann, der heute noch von manchen Sachsen, die sich mit dem Thema 1813 befassen, als Verräter betrachtet wird. Er war ein integrer und tapferer Mann, ein herausragender Reitergeneral, dessen
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