1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
Schemel und übte mit zwei Holzlöffeln, Trommelwirbel auf den Tisch zu schlagen.
Ein Gespräch über Frankreich
Freiberg, 12 . Mai 1813
D er Major hatte durch seine Ordonnanz ausrichten lassen, er und sein Sohn wünschten um halb acht zu speisen, und zwar in Gesellschaft des Hausherrn und seiner Gattin sowie deren Nichte, der bezaubernden Demoiselle Henriette. Bis dahin habe er auf der Kommandantur zu tun.
Johanna hatte ihr Bestes gegeben, die Tafel im Salon so herzurichten, dass auch ein französischer Offizier von neuem Adel hoffentlich nichts daran auszusetzen fand: das feinste Tischtuch, das gute Geschirr, das silberne Besteck, die geschliffenen Gläser … Sie hatte ein paar frische Fliederzweige in einer Vase arrangiert, die den ganzen Raum mit ihrem Duft erfüllten, und Kerzen aufgestellt, die sie nun – kurz vor dem erwarteten Eintreffen der beiden französischen Offiziere – andächtig entzündete. Aus der Küche drang köstlicher Bratengeruch; Thea war eine ebenso gute Köchin wie ihre Schwester Lisbeth.
Doch Johannas wichtigste Vorbereitung auf diesen Abend war es, Henriette herauszuputzen, auch wenn die sich dagegen sträubte.
Aus Mangel an Garderobe trug sie nach wie vor das umgearbeitete grün-weiß gestreifte Kleid ihrer Tante, nun jedoch dazu ein schmales schwarzes Samtband mit dem Medaillon ihrer Mutter, von dem sie hoffte, es möge ihr die Kraft geben, den Abend zu überstehen.
Johanna und Nelli hatten eine Stunde lang Jettes Haar mit der Brennschere bearbeitet, ihr Löckchen über der Stirn gezaubert, weitere, die sich elegant an den Seiten herabringelten, und auch das am Hinterkopf aufgesteckte Haar kunstvoll in Schwung gebracht.
Jette konnte sich im Spiegel kaum selbst noch erkennen. Sonst trug sie ihre glatten Haare einfach offen, zum Zopf geflochten oder zu einem schlichten Knoten gedreht.
Blüten als Schmuck hatte sie zum Kummer ihrer Tante strikt abgelehnt – schließlich sei dies kein Ball und auch kein Essen mit Freunden.
»Dann hoffe ich sehr, dass du das keinen einzigen Augenblick lang vergisst, wenn du mit den Herren Offizieren redest«, hatte die Tante schnippisch gemeint. »Lass dich nicht provozieren und sprich bloß nicht von patriotischen Ideen! In einer fremden Sprache kommen noch viel schneller Missverständnisse auf.«
Johanna war doppelt besorgt, weil sie als Einzige in der bevorstehenden Runde kaum Französisch sprach und demzufolge auch nicht rechtzeitig eingreifen konnte, sollten ihr Mann oder die Nichte irgendwie gefährliche Gewässer ansteuern.
Dieser Major, so höflich er auch tat, wollte bestimmt möglichst viel über die Gesinnung seines Gastgebers herausfinden – schließlich war der ein Buchdrucker und Zeitungsherausgeber! Und die lebten gefährlich in solchen Zeiten. Den Palm aus Nürnberg, den hatten sie wegen franzosenfeindlicher Druckwerke erschossen, Gott sei seiner Seele gnädig, und der Becker aus Gotha, der saß nun auch schon bestimmt anderthalb Jahre Festungshaft in Magdeburg ab.
»Das weiß ich doch! Keine patriotischen Reden«, hatte Jette der Tante versprochen. »Ich werde mich am besten ganz dumm stellen und nur lächeln.«
Das meinte sie ernst. Die Schwierigkeiten würden schon beginnen, sollte der Major vor dem Essen einen Trinkspruch auf Napoleon ausbringen. Aber sie war gezwungen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, wenn alle diese Zeit heil überstehen sollten. Es würde wohl ein Tanz auf glühenden Kohlen werden.
Als die Uhr halb acht schlug, erwarteten Friedrich und Johanna Gerlach die Gäste an der Tür. Die beiden Offiziere kamen pünktlich zum Glockenschlag und gingen die Treppe voran, nachdem sie die Gerlachs begrüßt hatten.
Jette trat aus der Bibliothek, als sie Schritte auf den Stufen und Stimmen hörte. Sie stand ein bisschen hilflos neben der Tür und wartete angespannt.
Als der Major sie sah, ging er lächelnd auf sie zu, nahm ihre Hand, deutete einen Handkuss an und sagte, während er ihr in die Augen schaute: »Demoiselle, ich bin entzückt! Sie sehen hinreißend aus!«
Dann trat er einen Schritt beiseite, um zuzuschauen, wie sein Sohn sich ebenfalls über Jettes Hand beugte, ihr seinen Arm bot, sie zu Tisch führte und ihr den Stuhl zurechtschob.
Erneut fiel Jette auf, wie ähnlich sich Vater und Sohn sahen: beide mit dunklem Haar, leuchtend blauen Augen und schmalem, sorgfältig gestutztem Schnurrbart. Noch dazu trugen sie ähnliche Uniformen. Nur dass der Seconde-Lieutenant schlanker war, sein Haar
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