1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
sie nichts davon.
»Sagen Sie es ihr, berichten Sie Ihrer Nichte, welches Versprechen der Kaiser den Sachsen gibt!«, forderte der Major den Zeitungsherausgeber auf.
»Liebt euren König!«, zitierte Friedrich Gerlach aus dem Gedächtnis, der dieses Bulletin oft genug gelesen hatte – und zwar mit ziemlicher Fassungslosigkeit.
»Seht in ihm den Retter Sachsens! Wäre er seinem Worte weniger getreu, wäre er kein so redlicher Bundesgenosse gewesen, hätte er sich in die Meinungen Russlands und Preußens verstricken lassen, so wäre Sachsen verloren gewesen; ich würde es als ein erobertes Land behandelt haben. Meine Armee wird durch Sachsen nur durchmarschieren, und ihr werdet bald von den Beschwerden, die ihr jetzt zu ertragen habt, befreit werden. Ich werde Sachsen gegen seine Feinde verteidigen und beschützen.«
»Da hören Sie es!«, bekräftigte de Trousteau und nickte der Frau seines Gastgebers zu, während ihr Mann rasch für sie übersetzte. »Schon morgen wird ein Großteil der hier stationierten Männer Richtung Osten in Marsch gesetzt, um den Russen und Preußen endgültig den Garaus zu machen. Mein Regiment bleibt jedoch hier, und so dürfen mein Sohn und ich weiter Ihre Gastfreundschaft und bezaubernde Gesellschaft genießen, hoffe ich.«
Er sah Johanna an und wartete, bis deren Mann fertig übersetzt hatte. »Die meisten meiner Grenadiere werde ich ab morgen auf andere Häuser verteilen, dann haben Sie es etwas leichter, Madame. Étienne und ich werden hier dem Stadtkommandanten bei seiner Arbeit behilflich sein.«
Behilflich wobei?, dachte Jette bitter. Die letzten Vorräte zusammenzutreiben? Verräter zu suchen und diejenigen aufzuspüren, die ihre Sympathien für die Alliierten offen gezeigt haben? Zu kontrollieren, was in die Druckpressen kam? Sie glaubte ebenso wenig wie ihr Onkel, dass es Zufall oder die Liebe zur Literatur waren, die den Major bewogen hatten, sich ein Quartier beim ortsansässigen Drucker zuweisen zu lassen.
De Trousteau wandte sich nun wieder ihr zu. »Seien Sie also ganz ohne Sorge, Demoiselle! Der Krieg ist vorbei, auch wenn es noch keine offiziellen Friedensverhandlungen gibt. Ich bin sicher, das werden wir bald in Freiberg mit einem Ball feiern.«
Jette neigte den Kopf und lächelte höflich.
»So, nun kein Wort mehr von Politik«, meinte der Major und wedelte mit der Hand. »Es duftet ganz wunderbar. Was haben Sie uns Köstliches zubereiten lassen, Madame?«
»Kaninchenbraten mit Rotkraut, davor eine Frühlingssuppe mit Lauch«, übersetzte Jette die Worte ihrer Tante, die Nelli das Zeichen gab, den Gästen Suppe aufzutragen. Johanna hatte einen umfangreichen Tauschhandel mit mehreren Zwischenstufen abschließen müssen, um den Nachbarn zu bewegen, ihr für diesen wichtigen Abend zwei seiner Kaninchen zu überlassen, die er schon am Vortag geschlachtet und in Beize eingelegt hatte.
Nach einem zweisprachigen »Guten Appetit!« war eine Weile lang nur das verhaltene Klirren der Löffel auf den Tellern zu hören. Jette hoffte schon, dass der Rest des Abends überwiegend schweigsam vonstattengehen würde.
Doch dann richtete Étienne das Wort erneut an sie.
»Spielen Sie Klavier, Demoiselle Henriette?«
Es schien ihm zu gefallen, ihren Namen auszusprechen, es klang bei ihm wie »Angrijett«, und er kostete es geradezu aus.
»Leider nicht, Monsieur. Meine Mutter starb früh, mein Vater heiratete nicht wieder, und so musste ich mich um den Haushalt kümmern.«
»Aber Sie werden doch Muße für die schönen Dinge des Lebens haben? Bestimmt singen Sie, Henriette. Oder Sie zeichnen und sticken?«
»Ich liebe die Malerei, und ich lese gern.«
»Gedichte? Über die Liebe und die Schönheit der Natur?«
»Ist es nicht … unangemessen, sogar widersinnig, im Krieg Gedichte zu lesen?«, fragte sie zurück. »Gefällige Reime über die Schönheit der Natur, während Menschen qualvoll sterben?«
Étienne sah ihr erneut in die Augen und lächelte hintergründig. »Ich denke, Sie haben einen zu wachen Verstand, Henriette, um mir zu gestehen, was Sie lesen.«
»Ich liebe Schillers Werke«, sagte sie mit einem Anflug von Trotz.
»Schiller, der Dichter der Revolution!«, rief Étienne begeistert. »Hat man ihn nicht sogar zum Ehrenbürger der Republik ernannt? Aber er war nie in Paris, oder? Weshalb eigentlich nicht?«
»Ich glaube, seine finanzielle Situation erlaubte solch eine Reise nicht«, erklärte Jette vorsichtig.
»Ihr Deutschen lasst eure Dichter verhungern!«,
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