1814 - Unter dem Galornenstern
ersten Zeit liebte er es, jeden Schritt als sich verlaufende Vibration zu spüren. Manchmal tat er nur einen einzigen Schritt am Tag. So wurde ihm das Gefühl nicht langweilig: Er hatte ja Zeit, ihm standen Ewigkeiten zur Verfügung.
Immer dann, wenn Passagiere den Pilzdom verließen, war es wie ein Gewitter aus Vibration.
Foremon empfand die fremden Schritte als Erdbeben. Er litt regelrecht unter den Störungen; wo er doch glücklich hätte sein sollen, daß die Wacht unterbrochen wurde.
Foremon begriff, daß die Einsamkeit ihn auch zerbrechen konnte. Abwechslung brachten lediglich die Regenfälle und die heftigen Stürme. Das und alle paar Jahre ein Passagier; zuwenig für einen gesunden Geist.
Der innere Basalt konnt so fest werden wie der äußere, wenn er nicht achtgab.
Den Tag, an dem er dies begriffen hatte, nannte er Tag Eins.
Von nun an änderten sich die Dinge, er entwickelte zum ersten Mal eine Beziehung zu seiner Aufgabe, die genügend tragfähig für die Ewigkeit war.
Der allererste Passagier nach Tag Eins trug den Namen To Gethen. To Gethen war der zweite Bote von Thoregon, Ce Rhiotons Vorgänger. To Gethen brachte ihm alles über die Brücke und über die Passagiere bei.
Später lernte er von To Gethen, ein Passantum vom anderen zu unter‘ scheiden, sogar die Ausstrahlung ihrer Träger zu interpretieren.
Foremon erfüllte an diesem Tag seine Pflicht. Er geleitete To Gethen zum Fahrstuhl und brachte ihn hinauf.
Kurze Zeit später senkte sich ein Stummelschiff auf die Stadt Gaalo. Der Wächter konnte sich denken, daß es gekommen war, um To Gethen abzuholen. So verschwand der zweite Bote irgendwo in den Weiten der Galaxis Plantagoo, und es sollte sehr viel länger dauern, bis Foremon ihn zum zweiten Mal zu Gesicht bekam.
Diese Zeit benutzte er. Er versank wieder in Stille und horchte auf Vibration. Auf das Echo der Schwingungskurven, die Resonanz der Materie.
Der Basalt wurde ihm vertrauter, je länger er horchte. Er mußte die Ebene beherrschen lernen. Dazu kniete Foremon nieder, oft viele Stunden lang, und klopfte mit den Fingern auf den Boden. Den entstehenden Wellen lauschte er nach, bis er sie in jeder Einzelheit ihrer Verbreitung verfolgen konnte.
Wenn er sich besondere Mühe gab, dann liefen die Wellen über Kreuz. Dann entstand ein richtiger Wellenkamm. Und diesen Kamm konnte man sehen, er zeigte sich als kurzlebige Kräuselung im Stein. Fortan nannte er den Vorgang „morphen".
*
Für Foremon war das ein nicht erwarteter Durchbruch. Bald lernte er die Wellenkämme zu beherrschen.
Wenn er es wollte, dann konnte er sie in einigen Metern Entfernung gezielt entstehen lassen.
Über die Außenwelt wußte Foremon nichts. Er überlegte sich jedoch, daß ein solches Talent nicht normal war. Man hatte es ihm entweder eingepflanzt, verliehen oder angezüchtet. Essei denn - und das war die vierte Möglichkeit -, er stammte von einem Planeten, wo jeder das Talent besaß.
Ein solcher Planet ähnelte vermutlich der Ebene. Und es mußte eine evolutionäre Notwendigkeit bestehen, das Gestein zu beherrschen. Eine Gefahr, der man nur mit Hilfe des Talents trotzen konnte. Wenn es wirklich so war, dann maßte er Artgenossen besitzen. Aber darüber wußte Foremon nichts, und er interessierte sich auch nicht wirklich dafür.
Nach einigen Jahren nahm er zum ersten Mal eine Vibration wahr, die weder von ihm selbst noch vom Pilzdom stammte.
Es war pures Glück, daß er sich in der Nähe aufhielt. Denn die Wellen im Fels besaßen eine sehr geringe Stärke, sie stammten anscheinend von einem Punkt in unmittelbarer Nähe.
Da! Da war es wieder.
Der Wächter ging in die Hocke, legte seine Fingerspitzen auf den Boden und erstarrte. Er lauschte lange Zeit, bis er die Erschütterung zum dritten Mal wahrnahm.
Und diesmal hatte er auch die Richtung. Mit der geringstmöglichen Geräuschentwicklung tastete er sich vorwärts, etwa zwanzig Meter weit, bis er die Stelle gefunden hatte. Dort erstarrte Foremon wiederum. Er maßte lange warten, bis es von neuem passierte, mehr als einen Tag und eine Nacht.
Das vierte Ereignis lieferte ihm so exakte Hinweise, daß er praktisch gar nicht mehr anders konnte, als sie einer Höhle im Fels zuzuordnen. Zwischen kantigen Brocken aus Basalt bewegte sich in fast nicht mehr erkennbarem Tempo ein Geschöpf. Es besaß einen wurmartigen Körper, war doppelt so lang wie Foremons Unterarme und sehr dünn. Die Farbe des Tieres ließ sich von der Umgebung kaum
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