1818 - Testfall Lafayette
Er begriff nicht, weshalb sein Freund diesen Vorschlag gemacht hatte.
„Vielleicht ist er ja gar nicht tot", gab Joseph zu bedenken. „So genau kenne ich mich mit diesen Käfern nicht aus."
Er beugte sich über den Gazka und legte ihm das Ohr an den Rücken, vernahm jedoch keine Geräusche aus dem Inneren des insektoiden Körpers. Danach löste er einige dünne Lianen von den Bäumen und schlang sie um Arme, Beine und Rumpf ihres Gefangenen, um die Fesseln schließlich gar mit einigen Luftwurzeln zu verbinden.
„Was soll das denn?" fragte Pepe verwirrt.
Nach reiflicher Überlegung war er zu dem Schluß gekommen, daß ihr Gefangener tatsächlich das Leben ausgehaucht hatte. Demnach war es nicht mehr nötig; ihn in dieser Weise zu sichern.
„Ich will, daß er hierbleibt und sich nicht wegwälzen kann", erläuterte Joseph.
Er überprüfte die Knoten auf ihre Festigkeit und gab sich erst zufrieden, als er einige von ihnen nochmals verstärkt hatte.
„Du bist schlau!"
„Ja, das bin ich, aber du bist es auch!"
Joseph war es peinlich, von seinem Freund gelobt zu werden. Erkannte Pepe denn nicht, wie unsicher er selbst war?
Pepe blickte mit leeren Augen auf die Sümpfe hinaus. Dabei fragte er sich, ob er wirklich klug war. Er kam zu keinem Ergebnis.
Nur eines war ihm klar: Joseph war ihm in vielen Dingen überlegen. Er war ganz froh darüber, weil der Freund ihm die Entscheidungen abnahm, die ihn allesamt überfordert hätten.
„Und was ist jetzt?" fragte der Junge schließlich.
Wieder schob er Joseph die Verantwortung hin und überließ es ihm, die nächsten Schritte zu planen.
„Ich geh’ nach Swamp-City, und du bleibst hier", antwortete Joseph Broussard jr. „Ich will wissen, wie es dort aussieht. Wir haben ja kaum etwas gesehen."
„Für mich war es genug!"
„Aber wir können nicht ewig in den Sümpfen bleiben", gab Joseph zu bedenken. „Bestimmt gibt es Leute in Swamp-City, die uns helfen können. Die Fremden sind nicht überall."
Pepe war nicht so leicht zu überzeugen. Er war durchaus damit einverstanden, daß Joseph die Führung übernahm. Er wollte aber nicht allein bleiben.
Und seit der Gazka sich nicht mehr regte, hatten sich seine Gefühle dem Fremden gegenüber verändert.
Während er ihm vorher eigentlich recht gleichgültig gewesen war, begann er nun, ihn zu fürchten.
Er wunderte sich selbst darüber, und er redete sich immer wieder ein, daß er keine Angst zu haben brauchte. Doch es half nichts. Das insektoide Wesen war ihm unheimlich.
Irgendwann hatte Pepe einmal gehört, daß solche Geschöpfe im Verlauf ihres Lebens eine Metamorphose durchmachen. Er hatte Angst, daß so etwas mit dem Käfer geschah, während er mit ihm allein war.
Was war, wenn plötzlich ein gefährlicher und gefräßiger Wurm aus dem regungslosen Körper kroch und ihn angriff?
Keine Sekunde lang würde er schlafen. Nicht einen Moment würde er das insektoide Wesen aus den Augen lassen!
Er klagte, und er jammerte, und schließlich flehte er Joseph an, bei ihm zu bleiben. Doch der Freund war von seinem gefaßten Plan nicht abzubringen. Er wollte nach Swamp-City, um dort zu spionieren und Nahrungsmittel zu besorgen.
Schließlich sah Pepe ein, daß sie gar keine andere Wahl hatten. Einer von ihnen mußte diese Aufgabe übernehmen.
„Also gut", seufzte er. „Ich wäre gern mitgegangen, aber einer muß den Gefangenen bewachen. Selbst wenn der Käfer nicht mehr lebt."
Er dachte noch immer über seine Worte nach, als Joseph längst nicht mehr bei ihm war. Immer wieder blickte er den Gazka an.
Dabei fragte sich Pepe, ob er sich richtig entschieden hatte und ob es berechtigt war, sich vor dem Gazka zu fürchten.
*
Das Geäst der Bäume krachte und splitterte, als Icho Tolot aus einer Höhe von etwa zehn Metern in die Tiefe stürzte. Er schlug um sich und griff nach den Ästen, doch das Holz brach. Er war zu schwer, um sich irgendwo halten zu können.
Im Fallen bemerkte er eine humanoide Gestalt, die sich im Gewirr der Äste und Zweige versteckt hatte.
Es war ein schlanker Mann mit einem grauen Kinnbart. Ohne es zu wollen, brach der Haluter das Nest auf, in dem sich der andere verborgen hielt.
Er hörte angstvolle Schreie und griff unwillkürlich nach seinem Gürtel, um den Gravo-Pak seines Kampfanzuges einzuschalten, den er kurz vor dem Angriff auf die Igelschiffe angelegt hatte.
Doch dann zögerte er, denn der Bärtige war zu weit von ihm entfernt, so daß er nicht von dem Antigravfeld
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