1820 - Karenas Liebesbiss
war, dass man sich nicht unterhalten konnte. Wenn, dann wollte er dorthin, wo man nicht gestört wurde, weil andere Gäste ebenso dachten.
Die Pizza schmeckte wie Gummi, aber Johnny würgte das meiste trotzdem runter. Mit Bedauern dachte er an die Pizzen, die seine Mutter backte. Die waren perfekt, wenn sie frisch aus dem Ofen kamen.
Er warf den Rest zu dem anderen Bio-Abfall und schwang sich wieder auf den breiten Sattel. Dann ging es ab in Richtung Paddington. Er kam von Süden her, war an der Westseite des Kensington Parks vorbei gefahren und geriet natürlich in die Staus, durch die er sich allerdings schlängelte und dann Kurs auf den breiten Westway nahm. Er musste ihn unterqueren und sah dann in der Nähe eine große Grünfläche, Warwick Estate.
Das war ein Ausgangspunkt, denn in der Nähe fand er die Straße, die Karena ihm genannt hatte. Sie hieß Winchester Road und bildete einen Halbkreis. An einem Ende stand das Haus, in dem Karena wohl wohnte.
Schnell stellte Johnny fest, dass er an der falschen Seite in die Straße eingefahren war. Er musste sie durch bis zum anderen Ende und hatte dabei freie Sicht. Es standen hier recht alte Häuser, und zwischen ihnen gab es auch Lücken.
Als Johnny die Häuser sah, kamen ihm schon gewisse Bedenken, was die Wohnqualität anging. Die Häuser hatten bestimmt schon hundert Jahre auf dem Buckel, aber an Renovierungsarbeiten war da nicht viel getan worden. Die Fassaden zeigten Risse, ganze Stücke an Außenputz waren abgeblättert, und es sah nicht danach aus, als würden überall Menschen wohnen.
Johnny fuhr weiter. Er passierte eine wilde Müllkippe und näherte sich dem Haus, in dem er Karena treffen würde. Aber vielleicht stand sie auch an der Straße und wartete auf ihn.
Das war leider nicht der Fall. Auch vor dem Haus, das er ansteuerte, zeigten sich keine Menschen. Johnny fuhr langsam darauf zu und hielt dann an.
Die Haustür war geschlossen.
Wer wohnte hier?
Johnny konnte sich nicht vorstellen, dass Karena hier ihre Bleibe hatte. Das ging ihm völlig gegen den Strich. Das war kein Haus für eine Frau wie sie. Allmählich kam Johnny der Verdacht, dass man ihn an der Nase herumgeführt hatte. Aber wenn er schon mal da war, dann wollte er sich das Haus auch näher anschauen.
Johnny bockte seinen Roller auf. Jetzt hatte er die Hände frei, um sein Telefon hervorzuholen. Die ganze Sache war ihm nicht geheuer. Er rief bei sich zu Hause an, erreichte keinen und sprach eine kurze Nachricht auf den Anrufbeantworter, dass er in Paddington eingetroffen war und seine Eltern sich keine Sorgen machen sollten.
Seinen Roller schob er auf den Gehsteig und stellte ihn dort ab.
Jetzt ragte das Haus vor ihm hoch.
Parterre und drei weitere Etagen zählte er. Er hätte auch damit rechnen können, dass nicht in allen Fenstern Scheiben vorhanden waren, aber da irrte er sich. Soweit er schauen konnte, gab es die Scheiben noch. Da war keine zersplittert.
Dann wohnten also doch Menschen hier.
Die Haustür befand sich in einer Nische. Sie bildete dort das Ende. Johnny schob sich in die Nische hinein und suchte an den Innenwänden nach einem Klingelbrett, wo er die Namen lesen konnte.
Das gab es nicht. Er schaute nur auf grau gewordenes Mauerwerk, das mal rötlich gewesen war. Keine Klingel, keine Namen, auch keine Bewohner? Allmählich breitete sich in seinem Innern Misstrauen aus. Hatte man ihn an der Nase herumgeführt? Das traute er Karena nicht zu.
Was tun?
Er verließ die Nische wieder und konnte sich vorstellen, dass es im Haus sehr düster war. Ähnlich dunkel wie in seinem Traum. Von diesem Gedanken beflügelt, verließ er die Nische und trat wieder auf den Gehsteig.
Dass auf der Straße wenig Verkehr herrschte, überraschte ihn nicht. Hierher fuhr keiner, der nicht irgendwie musste, und Johnny trat bis an den Rand des Gehsteigs zurück, um von dieser Stelle aus einen erneuten Blick auf das Haus zu werfen.
Der Winkel war gut. Er sah die schiefe Dachrinne, die nicht mehr lange halten würde, er sah die Fenster, und er sah auch die beiden in der ersten Etage.
Er schaute genauer hin. Er glaubte, in dem rechten der beiden Fenster eine Bewegung gesehen zu haben.
Seine Augen weiteten sich. Der Mund stand plötzlich offen, und das blieb auch so.
Da stand jemand.
Zwar war die Scheibe durch den Schmutz recht dunkel, aber nicht so verschmutzt, als dass er nichts mehr hätte erkennen können. Er sah, dass ein Mensch dort stand. Und nicht nur einfach ein Mensch, es war
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