1820 - Karenas Liebesbiss
sollte.
Dann war es so weit. Bill drückte sich durch den Spalt, was er ohne Probleme schaffte. Dann war er im Haus.
Bill rannte nicht los wie ein Berserker. Er blieb cool und zog zunächst seine Waffe. Erst dann ging er auf die Treppe zu, die ihn in die Höhe und in ein schattenhaftes Zwielicht führte.
Im Moment hielt er sich noch zurück. Er stand leicht geduckt auf der Stelle und schaute sich um. Es waren zwei Wohnungstüren zu sehen. Beide geschlossen.
Bill wollte nicht anklopfen und sich bemerkbar machen. Ihm schwebte etwas ganz anderes vor. Das Gefühl sagte ihm, dass er hier unten nichts vorfinden würde. Die Musik spielte sicher weiter oben, und Bill, der auf der dritten Treppenstufe stehen blieb, spitzte die Ohren.
Ja, da war etwas. Er hörte es.
Ein Geräusch. Oder auch Geräusche, in die sich sogar Stimmen mischten.
Auch die seines Sohnes?
Bill wusste es nicht, aber er ging davon aus, dass sich Johnny dort oben aufhalten würde.
Also ging er weiter, und er hatte sich vorgenommen, jeden Widerstand aus dem Weg zu räumen. Dass er in eine Falle laufen könnte, daran dachte er nicht …
***
Die blonde Bestie hatte alles im Griff. Das heißt, sie selbst tat nichts, denn was hier ablief, das war das Spiel der blutgierigen Karena, die endlich ihren Hunger stillen und auch mit Johnny Conolly spielen wollte.
Er hockte auf der Couch. Die Sitzfläche war weich, und er hatte sich tief in die Polster gedrückt. Vor ihm stand noch der Tisch.
Karena lächelte und fragte dann: »Freust du dich?«
»Nein.«
»Das glaube ich dir nicht. Wo du doch so scharf auf mich gewesen bist. Es ist doch immer leicht, euch Kerlen eine Falle zu stellen. Ihr denkt mit dem Schwanz, das ist für uns ein Vorteil.«
Johnny konnte nicht widersprechen. Sie hatte ja recht. Er hatte seinen Verstand ausgeschaltet, und das konnte ihn nun das Leben kosten.
Nein, nicht das Leben. Nur die menschliche Existenz. Er würde ja weiterhin leben, nur in einer anderen Form. Als Mensch herumlaufen, aber kein Mensch mehr sein, sondern nur einer, der auf das Blut anderer Menschen scharf war.
Der Tisch war noch da.
Karena schob ihn weg.
Jetzt gab es kein Hindernis mehr zwischen ihnen.
Johnny hatte den ersten großen Schrecken überwunden. Er geriet auch nicht in Panik, er wunderte sich nur, dass er so kalt empfand. Von Liebe oder einer tiefen Sympathie für Karena war bei ihm nichts mehr vorhanden. Er hasste sie auch nicht, er sah sie nur als neutrale Person an.
Und die Cavallo blieb weiter im Zimmer stehen. Dicht neben der Tür hielt sie sich auf, und sie griff auch verbal ein, denn sie drängte die junge Blutsaugerin.
»Und jetzt wirst du zeigen, was ich dir beigebracht habe. Geh hin und genieße deinen ersten Biss. Schmecke das Blut der Menschen, das wie eine süßliche Verheißung sein kann. Das war jedenfalls bei mir so.«
»Ja, ich hole mir sein Blut. Das will ich. Ich bin geil darauf. Du hast mir genug erzählt.«
»So muss es sein.«
Die Antwort hatte zufrieden geklungen, das war auch Johnny nicht verborgen geblieben. Fieberhaft dachte er über einen Ausweg nach, aber das war unmöglich. Er kam nicht weg. Er hatte zwei Feinde vor sich, die keine Gnade kannten.
Karena war da.
Sie stand vor der Couch.
Um sie anzusehen, musste er den Kopf heben. Er wollte in das Gesicht schauen und sah dort den halb geöffneten Mund. Sie zeigte ihm die Zähne und wollte ihn so darauf vorbereiten, was ihm bevorstand.
Dann streckte sie die Arme aus und drückte beide Hände auf seine Schultern. Mit leiser Stimme gab sie ihm einen Befehl. »Du bleibst, wie du bist. Ist das klar?«
»Ja, ist es.«
»Dann ist es gut. Und ich verspreche dir, dass es nicht wehtun wird. Das Gegenteil wird der Fall sein. Du wirst dich nach einem weiteren Biss sehnen …«
»Das glaube ich nicht.«
»Dir bleibt keine Wahl«, sagte sie und beugte sich tiefer. So konnte sie ebenfalls ihren Platz auf der recht großen Couch einnehmen. Sie presste sich an ihn, nahm ihre Hände zu Hilfe und fing an, ihn zu streicheln.
Für Johnny wäre es in einer normalen Szenerie ein Supererlebnis gewesen, hätte sich Karena so um ihn gekümmert. Aber das war nicht normal, das war hier anders. Das war verkehrt, das war völlig irreal, und als er ihre Hände spürte, da hatte er das Gefühl, dass Eisfinger über seinen Nacken strichen.
»Es wird schön werden«, flüsterte sie ihm zu. »Einfach wunderbar. Nur schön …«
Johnny hörte jedes Wort, ohne es wirklich zu registrieren.
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