1823 - Regenten der Träume
benötigen wir weitere Informationen", sagte Bully. „In erster Linie praktisches Zeug. Wie macht ihr das eigentlich, wenn ihr euch in die Träume der Passagiere einschaltet?"
„Ich verstehe die Frage nicht."
„Na ja, macht ihr es vom Heim-Ei aus? Oder müßt ihr in der Nähe des Opfers sein?"
Der kleine Paradea zischte böse. „Unsere Passagiere sind keine Opfer. Sie sind Helfer und Spender, und wir befördern sie mit allem Respekt, auch wenn sie Furcht empfinden."
„Also von wo aus?" fragte Bully unerbittlich.
„Ich denke nicht, daß ..."
„Hör mal zu, Demin", fiel der Dicke ihm ins Wort. „Ich habe das Gefühl, du willst uns irgendwas verschweigen. Die Anweisung des Kommandanten lautet allerdings ein bißchen anders. Wir bekommen jede Hilfe, sagte Loom."
„Ja, du hast recht, Reginald Bull." Demin wurde nochmals kleiner, wenn so etwas möglich war. „Um von den Träumen eines Passagiers zu partizipieren, ist es nötig, bis auf wenige Meter an ihn heranzugehen. Je näher, desto besser. Wir verfügen in der CHIIZ über ein spezielles Tunnelnetz. Das Netz zieht sich durch das gesamte Schiff. Jede Kabine ist daran angeschlossen."
„Geheime Gänge?"
„Ja. Man kann sie ausschließlich vom Wohnbereich aus betreten. In der Passagiersektion gibt es keine regulären Zugänge, lediglich einige Notschleusen. Keiner, der größer ist als ein Paradea, könnte sie passieren."
„Also auch wir nicht?"
„Nein. Wir bewegen uns kriechend durch die Schächte. Ihr seid zu dick."
Wenn sich Reginald Bull von dieser Formulierung beleidigt fühlte, so zeigte er es nicht.
Ich fragte Demin: „Als du in unseren Träumen erschienst, wo warst du da?"
„Drei Meter über euch. In einem Tunnel, der über der Kabinendecke kreuzt. Ihr hättet in dieser Bordnacht meine ersten Spender sein sollen. Die Paradea waren über das Netz ausgeschwärmt, um ihren Hunger zu stillen. Eure Kabine gehörte zu meinem Bezirk."
„Könnt ihr eigentlich Gedanken lesen?"
„Nein. Wir saugen lediglich Träume auf: Gefühle, Schmerzen, Qual. Das, was wir selbst nicht mehr ausreichend entwickeln."
„Ihr könnt also nicht feststellen, was die Zentrifaal denken?"
„Auf keinen Fall."
„Und was ist mit diesem Behälter, den A-Kestah und sein Clan an Bord gebracht haben? Hat der Behälter Träume?"
„Ja. Jeder von uns Paradea hat sich bereits an seiner Qual berauscht. Der Behälter ist wie ein Sarg. Nur daß die Leiche im Inneren noch nicht gestorben ist. Wirklich verlockend."
Ich schaute Reginald Bull ratlos an; auf Anhieb hatte ich nicht den Schimmer einer Idee, wie sich das Tunnelnetz für unsere Zwecke nutzen ließ.
„Sag mal, Demin ..." Bully schaute den kleinen Paradea durchdringend an. „... wenn ihr an jede Kabine bis auf zwei oder drei Meter herankommt, dann habt ihr doch sicher Möglichkeiten, die Gespräche im Inneren zu belauschen."
„Niemals!" entrüstete sich der Paradea. „Käme das je heraus, wir wären in Plantagoo für das nächste Jahrhundert erledigt. ‘)Die Paradea achten zu allen Zeiten die Privatsphäre ihrer Passagiere."
Doch Bull zeigte wenig Neigung, sich erweichen zu lassen.
„Wir haben drei Tote an Bord. Ich bin der Meinung, daß unter diesen Voraussetzungen ein Bruch der Privatsphäre gerechtfertigt ist."
„Ja, aber ..."
„Kein >Aber’, Demin. Es geht um die Kabinen der Zentrifaal. Wir wollen wissen, was in diesen Kabinen gesprochen wird. Ich gebe euch sechs Stunden Zeit. Bis dahin müssen über jeder ZentrifaalUnterkunft Abhöranlagen installiert sein. - Besitzt ihr die nötigen technischen Mittel dazu?"
Demin ließ sich mit der Antwort eine Weile Zeit.
„Sicherlich", sagte er. „In sechs Stunden also. Es ist ein Unrecht, aber wir werden es tun."
*
Unser Weg führte zur Unterkunft des Gidecaj-Clans. Es handelte sich um einen abgeteilten Sektor. Am Zugang standen zwei Zentrifaal Wache.
„Was wollt ihr hier?"
Die Stimme klang angriffslustig. Es war der linke der beiden Wächter, der da sprach. Der andere hielt den Mund und beschränkte sein Interesse auf den Korridor: So als stellten wir lediglich ein Ablenkungskommando dar.
„Wir möchten A-Gidecaj sprechen."
„Verschwindet! Ich denke nicht, daß sich Gidecaj für euch interessiert."
Ich hatte ein seltsames Gefühl, als stünde jeden Moment ein Angriff bevor. Unsinn.
Mit berechnender Höflichkeit fragte ich: „Bist du sicher, daß du für eine solche Entscheidung die Kompetenz besitzt?"
Der Zentrifaal wollte schon
Weitere Kostenlose Bücher