1824 - Wenn Satan seinen Henker schickt
und hörte, dass Karina zurückkehrte. Sie betrat mein Zimmer. In ihrer Hand hielt sie eine Flasche mit Wasser. Aus ihr nahm sie einen tiefen Schluck und schüttelte dann den Kopf.
»Nichts?«, fragte ich.
»Gar nichts. Ich habe ein wenig rumtelefoniert, bis ich die richtige Station erreicht hatte. Da hat man nichts aufzeichnen können. Es war alles normal.«
»Sie können unter dem Radar hindurch geflogen sein.«
»Stimmt, aber das bringt uns nicht weiter.« Karina hob die Schultern. »Wir müssen den nächsten Morgen abwarten.«
»Und dann?«, fragte ich.
»Fällt uns vielleicht was ein.«
Daran glaubte ich nicht so recht, aber ich wollte etwas anderes von ihr wissen.
»Hast du eigentlich mal daran gedacht, dass sich hinter der Maske auch jemand anderer verstecken könnte?«
»Klar.«
»Chandra?«
»Du sagst es, John. Aber denke auch darüber nach, ob es sich für uns noch lohnt, wenn wir hier im Ort bleiben.«
»Wo willst du hin?«
»Weg.«
Ich wiegte den Kopf. »Das ist keine Antwort.«
»Sorry, aber ich bleibe trotzdem dabei, denn ich kann nur hoffen, dass man sich an unsere Fersen heftet. Deshalb habe ich weg gesagt. Die andere Seite weiß, dass wir für sie eine ewige Plage sein werden, und deshalb werden sie uns so schnell wie möglich aus dem Weg räumen wollen. Und das können sie nur, wenn sie uns finden.«
»So gesehen hast du recht.«
»Und ich werde mich jetzt auch hinlegen, wobei ich nicht glaube, dass sie einen zweiten Versuch starten werden.«
»Das glaube ich auch.«
Karina ging zu ihrem Zimmer. Ich folgte ihr, und auf der Türschwelle drehte sie sich um.
»Mein Bett ist breit genug.«
»Okay, ich nehme deinen Vorschlag an. Aber ich möchte angezogen bleiben.«
»Aber doch nicht aus Angst vor mir?«
»Nein, nicht vor dir. Sollte es sich die andere Seite anders überlegen, bin ich schneller kampfbereit …«
»Das stimmt, John!«
***
Es war alles anders. Es war nicht mehr seine Welt. Es war eine Welt der anderen Seite. Eine Welt, in der alles so gleich war. Eine Welt ohne Gefühle, die sich in die normale Welt integriert hatte. Hier waren zwei Dinge zusammen gekommen.
Zum einen hatte Wladimir Golenkow diese klare Medizin zu sich genommen. Zum anderen sollte er durch sie zu einem Zombie werden, aber äußerlich ein Mensch bleiben.
Freiwillig hatte er das Elixier nicht getrunken. Er wusste nur, dass ihm nach dem Trank eine Hitzewelle erreicht hatte, die dann in das Gegenteil übergegangen war.
Ja, er lebte. Er war nicht tot.
Er war irgendwann aus diesem Zustand erwacht. Eine Zeitangabe konnte er nicht machen. Es konnten zwei Wochen, aber auch erst zwei Tage vergangen sein. Er war praktisch weggetreten und kam erst langsam wieder zu sich, wobei sich in seinem Kopf nichts tat. Da war er leer oder voll, es kam auf die Sichtweise an, doch er reagierte nicht mehr wie ein normaler Mensch.
Er tat etwas.
Er führte Befehle aus. Wenn man ihm sagte, mach das oder das, dann tat er das auch. Zumeist nahm er die Befehle von einer schönen Frau entgegen, die er zu kennen glaubte.
Ein Name hatte sich in seinem Gedächtnis festgehakt.
Chandra.
Sie war es, auf die er hören wollte und auch hören musste. Und da gab es noch etwas, was völlig anders geworden war und alles auf den Kopf gestellt hatte, zumindest bei ihm.
Er konnte wieder laufen!
Er konnte sich wieder bewegen, denn das war bei ihm einmal anders gewesen. Oder vielleicht auch nicht. So genau konnte er sich nicht mehr erinnern.
Aber Chandra war da, und Chandra war wichtig. Manchmal sah er sie zusammen mit einem Mann, dessen graues Haar ein schmales Gesicht umrahmte und Augen, die so dunkel waren und wie Eingänge zu tiefen Höhlen wirkten.
Chandra kam immer wieder und immer öfter zu ihm. Sie redete nicht nur mit ihm, sondern brachte ihm auch Fertigkeiten bei, die er später gut gebrauchen konnte.
Hin und wieder tauchte auch der Hagere auf. Dann wurde Chandra gefragt, ob der Patient Fortschritte machte. Sie konnte es jedes Mal bejahen und strahlte dabei.
Schlussendlich kam der Tag, an dem Chandra sich nicht in der Kammer niederließ, sondern Wladimir erklärte, dass sie jetzt gemeinsam woanders hingehen würden.
Er folgte ihr auf dem Fuß.
Beide gingen durch die düsteren Flure des einsam liegenden Klosters, in dem Wladi schon so lange gefangen gehalten worden war, ohne dass er es selbst richtig gemerkt hatte. Er hatte die letzte Zeit in einer Art Schwebezustand verbracht und alles getan, was von ihm verlangt worden
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