1827 - Flucht durch Bröhnder
den Tod bedeutet.
‘ „Wirst du mir zu essen geben, wenn ich mich eine Weile von dir löse?"
„Nur, wenn du es diesmal über die vollen zehn Minuten schaffst."
„Ich versuche es."
Zehn Minuten Trennung stellten derzeit das Maximum dar. Sie nahm den Vorgang nicht mit Freude, aber sie erkannte die Notwendigkeit.
Als ehemaliger Maskenträger kannte ich mich mit Parasiten aus. Das Cappin-Fragment hatte mir über Ewigkeiten kein normales Leben erlaubt. Allein sein Anblick hatte jedes Wesen in den Wahnsinn oder in den Tod getrieben. Daher die Maske - eine Kappe aus Plastik, die mich mein halbes Leben lang von anderen Menschen isoliert hatte.
Und nun die Haut. Wieder ein Parasit, nur daß ich diesmal sein Schicksal in der Hand hielt.
Wenn sie mich nicht reizen wollte, gewöhnte sie sich besser daran, daß sie die Zeit allein verbrachte.
Ansonsten lag eine Kurzschlußreaktion im Bereich des Möglichen.
Ich wollte sie nicht töten - aber vielleicht würde ich es eines Tages müssen.
Die Haut öffnete sich über meinem Kopf, kroch an den Augen, über den Mund, am Hals hinab den Körper hinunter. Meine Arme und meine Beine wurden freigegeben. Am Ende lag zu meinen Füßen ein gallertartiger formloser Sack, der sich in Richtung Ausgang bewegte.
„Eines Tages, Alaska", sagte Lanagh, „werden meine Brüder und ich sie zerschnipseln. Dann bist du sie los."
Ich hatte mich in Lanagh getäuscht. Er war immer noch der unbezähmbare und mordlustige Wilde.
„Wenn der Tag kommen sollte", eröffnete ich ihm, „dann werde ich das selbst besorgen."
„Du?"
„Natürlich."
„Du bist doch ein Weichling! Ich wundere mich, daß du beim Waschen deine Bakterien tötest."
„Wundere dich, soviel du willst, Lanagh. Sie gehört mir."
„Manchmal bist du richtig eklig, Alaska. Du gönnst uns nichts. Was hältst du davon, wenn meine Geschwister und ich einen Ausbruch machen und die Maoten-Horde draußen niedermetzeln?"
„Im Prinzip eine ganze Menge." Ich lächelte hinterhältig. „Aber um euch hinauszulassen, müßten wir den Schutzschirm öffnen, und das geht natürlich nicht. Außerdem sind da draußen ein paar Millionen Maoten.
Ihr hättet keine Chance gegen sie."
„Sehr richtig!" fügte Varquasch von hinten hinzu. „Meine Kinder sollen Benehmen lernen, aber sterben sollen sie nicht."
Lanagh gab sich zufrieden und trabte schmollend zu seinen Brüdern in die Ecke zurück.
Stunden verrannen, ohne daß sich etwas ereignete. Mit Dorotas Hilfe spielte ich mehrere Pläne für den Notfall durch, jeder etwas anders, einige sogar ‘halbwegs originell.
Sie alle besaßen den Nachteil, daß sie seitens der Maoten einen oder mehrere Fehler voraussetzten. Und ob es dazu kommen würde, daran hegte ich einige Zweifel.
Die Leute des Hohen Herrn von Yiliton verhielten sich abwartend. Sie besaßen alle Zeit des Universums. Dennoch würden sie pünktlich zuschlagen, das spürte ich. In ihrem absoluten Bekenntnis zum Besitz gab es keine Kompromisse.
„Nur noch wenige Minuten, Alaska."
„Ja, Varquasch." Ich starrte ruhelos auf die Geschütze, die Schutzschirmbatterien, die Raumschiffe oberhalb der CANT.
Von den vegaonischen Elementen gab es keine Spur. Ich konnte mir das nicht erklären. In fünf Stunden hätten zumindest einige den Weg schaffen müssen.
„Dorota! Versuch bitte noch einmal, mit Enkendran Kontakt aufzunehmen."
„Ich habe es bereits mehrfach probiert. Aber ohne Ergebnis, der Koordinator gibt keine Antwort."
„Dann sollten wir zusehen, daß wir ab jetzt um jede Minute Leben kämpfen."
*
Über der Schrotthalde patrouillierten etwa hundert Raumschiffe der Laoten. Die meisten waren um die dreihundert Meter groß, entsprachen von den Ausmaßen her also der CANT. Ihre Formen erinnerten an mißlungene, riesenhafte Sauriereier, an leicht verquere geometrische Formen wie Ovale oder Würfel. So etwas wie eine einheitliche Baureihe existierte offenbar nicht.
Gemeinsam war ihnen die Feuerkraft. Maoten gehörten zum Wehrhaftesten, was die Galaxis Bröhnder zu bieten hatte.
„Zwei Minuten noch, Alaska", wisperte die Haut in meinem Kopf. „Ich habe Angst."
„Da bist du nicht alleine", gab ich in Gedanken zurück.
„Aber ich gebe zu, es ist leichter zu ertragen, wenn du da bist."
In diesem Augenblick spürte ich ebenfalls, daß es ein gutes Gefühl sein konnte, nicht allein zu sein. Die Haut beengte mich, sie schien mir oftmals regelrecht die Atemluft zu rauben. Aber sie war immerhin auf meiner Seite,
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