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183 - Die Stadt Gottes

183 - Die Stadt Gottes

Titel: 183 - Die Stadt Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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erschießen?«
    Gunny versuchte noch immer zu grinsen. »Vielleicht sollten wir einfach Buße tun, was denkt ihr?« Der Junge zuckte mit den Schultern, wirkte arg verunsichert und ängstlich. »Nur so zum Schein, meine ich.«
    »Wenn du Angst um deine Haut hast, musst du tun, was du für richtig hältst, Kleiner«, sagte Honeybutt.
    Minuten später wurde es laut auf dem Gang vor dem Zellentrakt. Schritte, Stimmen und Fackelschein näherten sich. Die Gestalten von zwei Dutzend Männern und Frauen tauchten vor den Zellentüren auf. »Hinein mit ihnen«, tönte eine kräftige Stimme. Sie gehörte einem dunkelhäutigen Kahlkopf. Eine klobige Flinte mit abgesägtem Lauf hing über seiner Schulter, und auf seinem schwarzen Zylinder und seinem schwarzen Lederumhang leuchteten weiße Kreuze im Fackellicht.
    ***
    Loola schlich durch das Morgengrauen. Es fing schon wieder zu schneien an. Sie drückte sich dicht an die Hausfassaden, huschte über Gassen und Straßen, nahm Umwege durch Ruinen und Hinterhöfe. Die tiefen Spuren, die sie im Schnee hinterließ, beunruhigten sie.
    Die Gewissheit, von einem Rev’rend und vier so genannten Bußwächtern verfolgt zu werden, raubte ihr schier den Verstand. Wenn es wenigstens nicht so kalt wäre!
    Der tödliche Schuss auf Sabreena hatte sie aus der religiösen Verzückung gerissen. Eine verdammt harte Landung war das gewesen: das blutige Loch über Sabreenas Augenklappe, das von Entsetzen verzerrte Gesicht der mütterlichen Freundin, und Rev’rend Blood mit der rauchenden Flinte in den Händen – von jetzt auf nun war es vorbei gewesen mit Reue, Begeisterung und Glaubensfreude.
    Und dann wollten sie noch wissen, wo sie Trashcan Kid und die anderen finden konnten. Das hatte ihr den Rest gegeben. Ozzie bezog Prügel, ihr war die Flucht gelungen. Das Chaos nach dem Kampf im Stadion war ihr Glück gewesen.
    Sie huschte in einen Hauseingang und blickte zurück.
    Ihre plötzlich abreißenden Stiefelabdrücke im Schnee ließen keinen Zweifel an ihrem Fluchtweg. Nie und nimmer würde der Schneefall sie schnell genug zudecken.
    Scheißschnee! Scheißspuren!
    Sie seufzte. Wo mochten die anderen stecken?
    Trashcan Kid, Ozzie und Peewee? Sammelten sie sich irgendwo zum Kampf? Sie musste sie finden, sie musste den weißen Rev’rend und seine Jagdhunde abschütteln, sie musste einfach! Loola blickte nach oben: Eine Hängebrücke verband die obersten Stockwerke der beiden Häuser über die schmale Gasse hinweg.
    Hinauf!
    Loola nahm drei Stufen auf einmal. Ihr Magen knurrte, sie fröstelte. Die verdammte Kälte nagte schon an ihren Knochen.
    Nach drei Stockwerken verschnaufte sie am Fenster und blickte auf die Gasse hinunter. Fünf Gestalten bogen eben zweihundert Schritte entfernt um die Straßenecke.
    Sie kamen! Der weiße Rev’rend, Louis Stock und drei seiner Whiskydealer! Sie näherten sich im Laufschritt, deuteten erst auf die Spuren im Schnee und dann auf das Haus, in dem sich Loola befand. Rev’rend Flame lud seine Flinte durch und spähte zur Fassade hinauf.
    Fuck!
    Loola zuckte vom Fenster zurück und presste sich gegen die Wand. Die Kälte des Gemäuers kroch ihr wie Eisfinger durch die Adern. Das Innere ihrer Brust fühlte sich an, als würde sie jemand mit Trommelschlegeln bearbeiteten. Sie lief los, huschte die Treppen hinauf, so leise und schnell sie konnte. Von unten hörte sie bereits Schritte und Flüsterstimmen. Die verdammten Jäger waren ihr dicht auf den Fersen. Zu dicht.
    Endlich das fünfte Stockwerk, das letzte. Durch ein offenes Fenster stieg sie auf die schneebedeckte Feuerleiter und von dort auf die Hängebrücke. Glatt war das Ding und schwer vom Gewicht des Schnees. Loola balancierte hinüber.
    Auf der anderen Seite angekommen, zerschlug sie ein Fenster, stieg ins Treppenhaus und ging in Deckung. Sie musste sich zwingen, nicht einfach wegzulaufen. Doch das scheinbar Einfachste wäre in diesem Fall garantiert das Gefährlichere gewesen. Sie holte ihre Axt aus der Rückenscheide und wartete.
    Irgendwo ziemlich weit unten im Haus redeten Menschen. Egal. Eines nach dem anderen.
    Loola konzentrierte sich auf die Männerstimmen, die sie jetzt durch das offene Fenster hörte. »Sie ist auf die andere Seite geflüchtet«, sagte eine Stimme, die sie sofort erkannte: Sie gehörte Louis Stock. Loola hielt den Atem an und zählte langsam bis zehn. Draußen knirschte Schnee unter Stiefelsohlen.
    Bei zehn packte sie die Axt, sprang auf und schwang sich aus dem Fenster. Nur drei der

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