183 - Die Stadt Gottes
offen hat.«
»Die reinste Tyrannei!« Sergeant Peterson war leichenblass geworden.
»Und wann soll diese öffentliche Buße stattfinden?«, erkundigte sich Crow.
»In drei Tagen, im Hauptquartier der Rev’rends.«
In allen drei Zellen steckten die Gefangenen die Köpfe zusammen und diskutierten aufgeregt über die Neuigkeiten. Ziemlich schnell bildete sich eine Mehrheitsmeinung heraus: die Erklärung unterschreiben, falls man die Chance bekam, und in drei Tagen würde man dann weitersehen.
Honeybutt verließ ihren Fensterplatz und drängte sich neben Ozzie. Der Junge glaubte, die Rev’rends würden ihn töten, wenn er ihnen die verlangten Informationen nicht lieferte. Entsprechend geknickt war er. Miss Hardy versuchte ihn zu trösten.
So vergingen die Nachtstunden. Man schlief in Schichten, und bald erfüllte grässliches Schnarchen die Zellen. Ozzie erzählte, wie er über ein Jahr zuvor mit Trashcan Kid, Dr. Ryan, Monsieur Marcel, Sergeant O’Hara, Captain Ayris Grover und den anderen die Stadt verlassen hatte, um in den Süden nach Meko zu ziehen.
Vor den Zellenfenstern graute der neue Wintermorgen, und Ozzie verfluchte sich, weil er nach Waashton zurückgekommen war.
»Warum seid ihr denn überhaupt zurückgekehrt?«, fragte Honeybutt. »Hat euch das Heimweh geplagt?«
Fast alle, mit denen Ozzie Richtung Süden gezogen war, kannte sie.
»Bullshit!« Ozzie tippte sich an die Stirn. »Es ist etwas passiert, das…« Er unterbrach sich, schluckte, und seine Miene wurde noch finsterer. »Was Scheußliches…«
»Na, sag schon«, drängte Honeybutt.
Etwas wie Trotz erschien auf Ozzies Zügen. Er schüttelte den Kopf. »Wir haben uns geschworen, niemals darüber zu reden. Niemals! Kapiert?« Er wandte sich ab, kauerte sich an den schnarchenden Amoz Calypso und tat, als würde er schlafen.
Irgendwann gegen Morgen näherten sich wieder Schritte auf dem Gang. Der Rev’rend mit dem Zylinder tauchte vor den Zellen auf. Bei ihm waren Boothcase, Yanna und – Mr. Hacker.
Yanna schloss die Zelle auf, Boothcase stieß Hacker hinein und warf dann einen Stapel Zettel unter die Gefangenen. In den Nachbarzellen reichte er die Papiere durch die Gitterstäbe. »In drei Tagen findet die öffentliche Buße statt«, sagte Rev’rend Sweat. »Mit eurer Unterschrift bestätigt ihr, dass ihr daran teilnehmen werdet. Nur wenn alle ihre Sünden bekennen und bereuen, wird Waashton eine Stadt des HERRN werden. Ihr habt drei Tage Zeit, über eure Buße nachzudenken!«
»Und wer nicht unterschreibt?«, fragte Gunny.
»An dem wird während der Bußfeier demonstriert, was der HERR den Verstocktesten unter den Verstockten zugedacht hat!« Der Rev’rend fuhr sich mit der Handkante über den Hals. Dann zeigte er auf Crow.
»Sind Sie General Arthur Crow?«
»Jawohl.«
»Mitkommen!«
Crow verließ die Zelle, Yanna schloss wieder ab.
Draußen fesselte der fromme Boothcase dem General die Hände auf den Rücken. Danach zogen die drei mit ihrem Gefangenen ab.
Wer wach war, drängte sich um Hacker. »Wo warst du?«, fragte ihn Miss Hardy.
»In ihrem Hauptquartier, im Fordtheater.« Das Theater lag nur zwei Straßen weiter, höchstens dreihundert Meter Luftlinie. »Wollten wissen, wo wir herkommen, wem das Schiff gehört, wo Black steckt, und so weiter.« Mr. Hacker machte einen erschöpften und zerknirschten Eindruck.
»Und was hast du ihnen erzählt?«
»Nichts.«
»Und hast du Buße getan?«, fragte Ozzie.
»Null.« Hacker ließ den Kopf hängen. »In drei Tagen wollen sie mich hinrichten. Weil ich diesen süßen Rev’rend Flame angebaggert habe. Versuchte Unzucht.«
***
Nur drei Männer auf der Brücke! Loola unterdrückte das beißende Gefühl der Enttäuschung; sie hätte gern alle fünf auf einmal hinunter auf die Straße geschickt, und noch tiefer, möglichst gleich bis in Orguudoos Fleischbraterei.
Doch das Mädchen war Kummer gewohnt und hielt sich nicht lange mit ihren Gefühlen auf, ignorierte auch den zielenden Rev’rend und seine verdammte Flinte. Sie warf sich auf die Knie in den Schnee und holte aus.
Gleich der erste Axthieb durchtrennte das rechte Haltetau der Brücke, der zweite spaltete das linke zur Hälfte, der dritte schickte die Brücke in die Tiefe: Sie schwang durch das Schneegeriesel und prallte an die gegenüberliegende Hauswand.
Zwei Bußwächter stürzten schreiend ab, einer klammerte sich an Planken und Stricken fest. Louis Stock brüllte vor Wut.
Jetzt, wo Rev’rend Flame nicht mehr
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