183 - Die Stadt Gottes
bewaffnet. Die Frau mit ein paar Messern, der fromme Mann mit Spieß und Schwert.
Crow verachtete sie. Eine Kleinigkeit, dieser ehemaligen Straßendiebin eines ihrer Messer zu entreißen und damit dem Frömmler die Gurgel durchzuschneiden. Wenn er nur gewollt hätte.
Crow wollte nicht.
Er wollte die Führer dieser Kerle kennen lernen, die sich »Rev’rends« nannten. Mit dem Stolz eines Mannes, der sich in Besitz der besseren Waffen wusste, wartete er.
Was konnten schon antike Schießprügel gegen seinen Verstand und seine Zunge ausrichten?
Hinter einem zerschlissenen Vorhang hörte man eine Tür knarren. Ein Mann mit schwarzem Schlapphut, Waffengurt, Langschwert und gefüllten Revolverholstern zog den Vorhang zur Seite. »Der Erzbischof und der Bischof sind so weit«, sagte er mit rauer Stimme.
»Wer ist dieser Bursche«, raunte Crow.
»Das ist Rev’rend Torture!«, zischte Yanna. »Benimm dich anständig ihm gegenüber, dann hast du nichts zu befürchten; oder jedenfalls fast nichts.«
»Komm schon!« Der Rev’rend winkte ungeduldig.
Seine Hände steckten in schwarzen Handschuhen aus speckigem Wildleder. Eine Vielzahl von Löckchen quoll unter seinem schwarzen Hut hervor, selbst seine wuchernden Koteletten waren zu Zöpfchen geflochten.
In seinem eckigen Mund glänzten metallene Zähne. »Ein bisschen Bewegung, Meister, ja?« Rev’rend Torture hatte einen Silberblick. Das verlieh seiner Miene einen harmlosen Ausdruck, doch genau der machte den General hellwach.
Crow erhob sich betont langsam. Er fasste den Rev’rend ins Auge und atmete drei Mal tief durch. Mit stolz erhobenem Haupt schritt er auf den Rev’rend zu, blieb vor ihm stehen und sagte: »Möglicherweise verwechseln Sie mich mit jemandem, Sir! Crow ist mein Name, Arthur Crow! Ich bin General der Bunkerstreitkräfte und Präsident des Weltrates.«
»Crow oder Eagle oder Sparrow – was bedeutet das schon?«, entgegnete der andere ungerührt. »Ein sündiges Vöglein bist du und dem Gericht des HERRN verfallen.«
Er winkte gelangweilt ab. »Ich jedenfalls bin Rev’rend Torture, ein Kämpfer des HERRN und ein Infanterist im Krieg gegen die Sünde. Ich interessiere mich weder für militärische Ränge noch für politische Ämter.« Er ließ den Vorhang los, zog die Tür auf und winkte Crow mit einer Kopfbewegung hindurch. »Der HERR ist mein General, und der HERR ist mein Präsident.«
Crow presste die Lippen zusammen. Aus schmalen Augen musterte er den anderen zwei Atemzüge lang. Er verzichtete auf einen Kommentar und betrat einen großen Saal, einen Theaterraum. Bleierne Müdigkeit machte ihm die Beine schwer.
Die Sitzreihen vor der Bühne waren nur bruchstückhaft erhalten. Generationen von Waashtoner Barbaren hatten das Theater ausgeplündert, bevor es irgendwann in Vergessenheit geraten war. Die Rev’rends schienen die große Ruine wieder entdeckt zu haben.
Seltsame Wahl.
»Treten Sie näher, General Crow!«, rief einer der beiden Männer auf der Bühne. »Sie sind doch General Arthur Crow?«
»Präsident General Arthur Crow, so ist es, Sir!« Vor Rev’rend Torture her schritt Crow entlang der Wand zur Bühne. Er spürte den Atem des anderen im Nacken, machte aber dennoch keine Anstalten, sich zu beeilen oder gar in Hektik zu verfallen. »Und mit wem habe ich die Ehre, wenn ich fragen darf?«
Natürlich erkannte er den Stahlhelmträger mit dem langen Grauhaar auf der Bühne wieder. Die grellroten Kreuze auf seinem Helm und seinem Mantel waren unübersehbar. Und auch den anderen hatte er auf der Tribüne im Stadion gesehen: Kräftiger gebaut war er, jünger und mit schwarzem Bart und Langhaar.
»Ich bin Rev’rend Blood, der Erzbischof.« Der Helmträger wies auf den anderen. »Und das ist Bischof Rev’rend Rage, mein Stellvertreter.«
Crow horchte auf. Die Art und Weise, wie der Stahlhelmträger das Wort »Stellvertreter« aussprach, hatte etwas Herablassendes.
General Crow stieg auf die Bühne, Rev’rend Torture folgte ihm. Ungefragt setzte sich Crow auf den einzig freien Stuhl. Er stand an einem Tisch in der Mitte der Bühne. Auf dem Tisch stand ein Glas Wasser. Crow nahm es, roch daran und trank. Rev’rend Torture hatte hinter ihm Aufstellung genommen.
Die beiden Häuptlinge der Rev’rends beobachteten Crow. Rev’rend Blood im Stehen und mit vor der Brust verschränkten Armen.
Er stand am vorderen Bühnenrand vor dem Orchestergraben. Sein grauer Ledermantel war fleckig und nass, sein Gesicht irgendwie hohlwangig.
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