1837 - Nacht-Phantom
kein Problem. Sie meinen sicherlich Errol Cummings.«
»Ja, den meinen wir«, sagte Bill.
»Den finden Sie aber nicht hier. Da müssen Sie schon rausfahren, wenn Sie ihn sprechen wollen.«
»Das wollen wir.«
Die junge Frau lächelte verkrampft, bevor sie sagte: »Ich kann Ihnen aber nicht genau sagen, wohin Sie müssen. Errol Cummings und seine Tiere wandern. Mal sind sie da, mal dort, aber …«
»Kann man in dieses Gebiet fahren?«
»Ja, Mister Sinclair, das können Sie.«
»Okay, dann sagen Sie bitte, welche Richtung wir einschlagen müssen.«
Wir bekamen die Auskunft. Einen Schritt waren wir schon vorangekommen, und Bill Conolly nahm den Faden wieder auf, als wir ins Freie getreten waren.
»Hast du gehört? Man hat die Fledermäuse gesehen.«
»Habe ich.«
»Dann ist es wohl nicht normal, dass diese Lappenflieger plötzlich durchdrehen.«
»Wer kann das wissen.« Ich nickte Bill zu. »Wir werden erst mal losfahren und versuchen, den Schäfer zu finden. Mit dem Polizisten können wir uns später noch beschäftigen.«
»Wie du meinst.«
Wir stiegen wieder in den Porsche, und Bill Conolly startete den Wagen. Jetzt mussten wir uns nur die Daumen drücken, dass wir auch beim zweiten Besuch so viel Glück hatten …
***
Errol Cummings, der Schäfer, schaute in den alten Spiegel in seinem Wagen, betrachtete sein Gesicht und verzog die Lippen, als er die Ränder unter seinen Augen sah.
Er hatte nicht nur schlecht geschlafen, er hatte fast nicht geruht, und das war ihm selten passiert, aber in der letzten Nacht war alles anders gewesen.
Da hatte es den Überfall gegeben. Fast schon in der Dunkelheit. Plötzlich hatte sich der Himmel stark verdunkelt, aber das war keine echte Dunkelheit gewesen, sondern etwas Furchtbares und auch Grauenhaftes. Es hatte einen regelrechten Überfall gegeben, mit dem der Schäfer und seine Tiere nicht gerechnet hatten.
Die Blutsauger waren über sie gekommen!
Völlig überraschend, ohne Vorankündigung. Sie waren da, sie wollten Blut, was auch nicht normal für sie war, denn sie waren eigentlich harmlos. Aber in dieser Menge ließen sie sich nicht aufhalten. Und die Schafe waren eine willige Beute für sie.
Der Schäfer hatte noch nicht geschlafen, als er das Geräusch vernommen hatte. Er war nach draußen geeilt und hatte mit ansehen müssen, wie seine Tiere angefallen wurden. Ihn selbst ließ man in Ruhe, er aber drehte fast durch. Er hatte sich dem Pulk entgegen geworfen, nach den Fledermäusen geschlagen, auch einige zerquetscht. Aber schließlich hatte er eingesehen, dass er nichts machen konnte.
Er war wieder in seinen Wagen gegangen und hatte dort den Überfall abgewartet. Lange hatte er nicht gedauert, urplötzlich war er vorbei gewesen, und die unzähligen Fledermäuse hatten sich zurückgezogen.
Erst dann war der Schäfer wieder zu seinen Tieren gegangen, die ungemein aufgeregt gewesen waren. Sie blökten, sie schrien, sie bewegten sich hektisch auf der Stelle. Nur das Bellen der Hunde und deren ständige Bewegungen sorgten dafür, dass die Tiere zusammenblieben.
So konnte der Schäfer sie untersuchen. Das war in der Dunkelheit problematisch, aber er hatte bei einigen seiner Tiere festgestellt, dass die Angreifer ihnen tatsächlich Blut ausgesaugt hatten. Unter dem dichten Fell befanden sich die Wunden, an denen sich Cummings blutige Finger geholt hatte.
Für ihn war das ein Rätsel. Er hatte die Fledermäuse nie als Angreifer gesehen oder als Feinde, zumindest nicht die in diesen Breiten. In Südamerika war das anders, da gab es richtige Blutsauger, aber dass sie jetzt auch in Mitteleuropa aufgetaucht waren, das wollte ihm nicht in den Kopf. Aber so war es gewesen, und es lag auf der Hand, dass er den Rest der Nacht kaum würde schlafen können.
So war es auch gewesen.
Und jetzt war Tag.
Er fürchtete sich ein wenig davor. Er hatte sich vorgenommen, all seine Tiere zu untersuchen, und er war sich sicher, dass er sich wieder blutige Finger holen würde.
Im Spiegel schaute er noch einmal in sein Gesicht und hatte das Gefühl, dass er in der letzten Nacht um Jahre gealtert war. Das war alles nicht tragisch, wenn es nicht diesen Angriff der Fledermäuse gegeben hätte.
Seine Hunde waren auch schon wach. Der Schäfer wollte sie erst später füttern, jetzt kümmerte ihn ihr Gebell nicht. Mit weichen Knien verließ er seinen Wagen und ging zu seiner Herde, die in der Nähe auf ihn wartete. Die Schafe standen dicht gedrängt, als würden sie sich noch
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