1841 - Jagd auf Ychandor
Vorsätze plötzlich doch wieder in die Zeit der Methankriege versetzt.
Das ist vorbei, Narr, sendete der Extrasinn. Du hast mit den Maahks längst Frieden geschlossen.
Er wußte das, aber tief in ihm gab es eben noch immer die anderen Erinnerungen. Und das würde sich nie ändern.
„Wir sind unterwegs zum Nordpol", verkündete Sassaron, der als Pilot fungierte. „Sobald auf der RICO eine Ortung eingeht, werden wir davon wissen. Und sobald uns etwas zustößt, erfährt die RICO davon, selbst wenn wir keinen Notruf mehr senden können. Wir sind genauso sicher wie im großen Schiff - nur in dieser Umgebung sehr viel beweglicher."
Der Kreuzer flog in etwa zweihundert Meter Höhe zwischen zwei Bergrippen. Unter ihm breitete sich ein weites Tal aus, mindestens zehn Kilometer breit und von der fünffachen Länge. Einige Sonden flogen vor dem Schiff her und lieferten genug Daten, um Sassaron genau wissen zu lassen, was jeweils vor und unter ihm lag.
Der Grund des Tales war nicht zu erkennen. Dichte Schwaden von grünlichem Nebel wurden von den Scheinwerfern aus dem hier unten fast völligen Dunkel geholt. Sie wallten und wirbelten, vom Wind getrieben, in die Höhe oder schraubten sich nach unten.
Zwischen ihnen eruptierten Ammoniak-Geysire, von der fremdartigen Chemie der Methanwelt erzeugt.
Kristallwolken bildeten sich und lösten sich auf. Alles war in schaurig anmutender Bewegung.
„Hier möchte ich meinen nächsten Urlaub verbringen", sagte Hermon sarkastisch. „Am besten zusammen mit Arfe."
„Jetzt auch noch Arfe?" reagierte Sevia sofort. „Reicht dir Gerine noch nicht? Der Kleine wird übermütig, Atlan."
„Wir wissen, wie er es gemeint hat", sagte der Aktivatorträger. „Um ehrlich zu sein, habe ich Arfe gegenüber ein schlechtes Gewissen."
„Wieso? Du konntest nichts von ihrer Phobie wissen. Vielleicht stellt sie sich auch nur etwas künstlich an, und es ist ..."
Sie sprach nicht weiter, als von Sceer sich wie elektrisiert vor einem der Bildschirme aufrichtete, die ihre Umgebung zeigten.
„Was ist?" fragte Atlan. „Hast du etwas entdeckt?"
„Ich ... ich weiß nicht", stammelte der Techniker. „Ich dachte, da wäre etwas, aber ich muß mich geirrt haben."
„Vielleicht ein Wirbel in der grünen Brühe da draußen", sagte Sevia, „oder gefrierender Ammoniak. Es ist jedenfalls nichts Festkörperliches unter uns, die Massetaster zeigen nichts an."
„Ich sage ja, ein Irrtum. Wen wundert es auch, wenn in dieser Umgebung die Phantastie mit einem durchgeht."
„Du hast Phantasie?" frotzelte Hermon.
„Paß lieber auf deine Kontrollen auf, Jungchen!" schimpfte von Sceer. „Sonst greift urplötzlich ein richtiges Monster an, und unser Feuerwerker macht dumme Witze, anstatt aufzupassen."
„Hier gibt es keine Monster", widersprach von Ariga im Brustton der Überzeugung. „Hier kann nichts leben."
Atlan wußte es besser, sagte aber nichts.
Im Weltraum hatte sich bisher nichts getan. Man wartete vergeblich auf ein Signal der im System stationierten Sonden oder eine Hyperortung durch die Instrumente der RICO.
Eine Stunde lang geschah nichts. Der Kreuzer flog streng nach Norden, stieg und überquerte Gebirgszüge, die mit ihren langen und spitzen Felsnadeln aussahen wie aus den Nebeln ragende Raubtiergebisse oder Skelette, sank wieder und lernte weitere Formen der phantastischen Landschaft kennen.
Ein Tal, das die Raumfahrer überflogen, sah aus wie ein blank polierter Spiegel. Nur bei genauem Hinsehen waren die Blasen zu sehen, die überall entstanden und zerplatzten. Wo die „Spiegelfläche" die umgebenden Felsen berührte, wurde klar, woraus sie bestand: Das gefrorene Ammoniak türmte sich dort zu Bergen wie aus erstarrtem Kristallschaum auf.
Dann folgte wieder eine Zone der Nebel, und wieder war es Kaha von Sceer, der vor seinem Bildschirm zusammenzuckte und eine Verwünschung ausstieß.
„Diesmal war es keine Einbildung!" rief er aufgeregt aus. „Da war etwas aus dem Nebel unter uns aufgetaucht etwas Großes."
„Die Massetaster zeigen nichts an", wunderte sich Sevia.
„Das soll mir egal sein", knurrte Kaha von Sceer. „Ich weiß, was ich gesehen habe. Etwas Riesiges stieg aus den Nebeln hoch und verschwand, bevor ich zweimal hinsehen konnte."
*
Von diesem Augenblick an spukte das Etwas, das der Chefingenieur gesehen haben wollte, durch die Gehirne der Männer und Frauen an Bord des Kreuzers.
Die Stürme ließen an Heftigkeit nach, je weiter das Schiff nach Norden
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