1844 - Bei Ebbe kam der Tod
Peter Tenhaaf meldete. »Ist das echt so schlimm?«
»Ja, das ist es.«
»Und warum?«
»Denk mal daran, dass dieser Mörder-Mönch sich den Mann geholt hat. Ich weiß nicht, ob er getötet wurde und man ihn dann nach so langer Zeit wieder freigab. Das liegt einige Jahre zurück. War er denn verwest?«
»Nein«, sagte Michael Lachmann. »Der sah sogar noch normal aus.«
Silke von Weser trank hastig ihr Glas leer. »Wir haben es hier wirklich mit einem Phänomen zu tun. Oder was sagen Sie?«
Die Frage hatte den beiden Männern gegolten. Lachmann nickte. »Ja«, meinte er, »ja, Sie haben schon recht. Der Tote war nicht verwest. Er sah noch nicht mal so aus, als hätte er lange im Wasser gelegen. Er war auch nicht vom Salz gezeichnet, also angefressen. Das haben wir schon gesehen, Frau – ähm …«
»Ich heiße Silke von Weser.«
Die beiden Männer sagten auch ihre Namen. Nur der Hotelier hielt sich zurück. Er stand hinter der Theke, hatte die Arme vor seiner Brust verschränkt und machte ein Gesicht, als wäre er in Gedanken versunken.
»Hast du was?«, fragte Peter Tenhaaf.
»Ja.«
»Und was?«
Claasen winkte ab. »Ich will ja nicht unken, aber ich habe das Gefühl, dass es mit der ruhigen Zeit vorbei ist und da noch einiges auf uns zurollt.«
»Und was?«
»Wieder dieser Horror wie damals, und es kann sein, dass es sogar noch schlimmer wird.«
Es war gesagt worden, und keiner saß in der Bar, der eine Antwort gegeben hätte.
»Aber zwei Bier kannst du uns doch wohl noch drehen – oder?«, fragte Peter Tenhaaf.
»Nichts, was ich lieber tun würde …«
***
Heinz Becker fuhr seinen Porsche auf den Parkplatz des Hotels. Die neu gebauten Häuser auf dem Grundstück nahm er kaum wahr, er war einfach zu sehr in Gedanken versunken. Die seltsame Begegnung mit dem Mönch ging ihm nicht aus dem Sinn. Dabei hatte er nur vor der Figur gestanden. Und dann war die Stimme da gewesen. Von Hajo, seinem Cousin. Das war verrückt. Auf der anderen Seite musste er sich aber eingestehen, dass er sich nicht getäuscht hatte. Es war Hajos Stimme gewesen.
Aber wieso?
Dass sein Cousin verschwunden war, das war bekannt. Darüber war auch in der Familie geredet worden. Und er wusste auch, dass er hier auf der Insel verschwunden war. Und er war gekommen, um sich noch mal zu informieren. Er verhielt sich so, wie es auch sein Cousin getan hatte. Er wohnte im Deichhotel, er hatte sogar das gleiche Zimmer bekommen, das vom Umbau nicht betroffen war, und er ging auch dort essen, wo es sein Verwandter getan hatte. Er kannte die Lokale, die Hajo bevorzugt hatte, und dort ließ er sich auch blicken.
In einem Restaurant hatte man ihn sogar auf die große Ähnlichkeit angesprochen, die es zwischen ihm und dem Cousin gab. Das stimmte. Sie waren sich ähnlich, sie hätten sogar als Brüder durchgehen können. Aber darüber wollte er jetzt nicht nachdenken, sondern versuchen, abzuschalten. Und das an der Bar des Hotels.
Er legte die paar Schritte langsam zurück. Er schmeckte die Abendluft und schaute dem Spiel der Wolken hoch oben am Himmel zu, bevor er die Eingangstür öffnete und sich sofort nach links wandte, denn dort lag der Eingang.
Becker zog die Tür auf.
Ein Blick reichte. Es war zum Glück noch nicht voll. Die Gäste, die dort saßen, kannte er.
Peter Tenhaaf und Michael Lachmann waren alte Stammgäste. Und auch Silke von Weser ließ sich ab und zu hier blicken, um ein wenig zu klönen. Heinz Becker kannte die Begrüßung, wenn jemand kam, der gut bekannt war mit den anderen Gästen. Da gab es stets ein großes Hallo, und er hätte es auch heute erwartet, aber das geschah an diesem Abend nicht.
Die Gäste waren da und schwiegen. Sogar der Hotelier sagte kein Wort und schaute ihn nur an.
Heinz blieb an der Tür stehen und schüttelte den Kopf. »He, was ist denn los?«
»Komm erst mal rein«, sagte der Hotelier.
Das tat Heinz auch. Er schob sich über die Schwelle und drückte seinen Oberkörper dann nach rechts. Dort befand sich sein Stammplatz an der Bar, den er immer einnahm, wenn Platz genug war.
Er nickte in die Runde und fragte erneut: »Was habt ihr denn? Ihr seid so still.«
Claas Claasen nickte ihm zu. »Trink erst mal einen Schluck. Was möchtest du haben?«
»Du kannst mir ein Bier drehen.«
»Gut. Sonst noch was?«
»Ja, eine alte Pflaume. Die habe ich jetzt nötig.«
»Geht in Ordnung.«
Die alte Pflaume bekam er zuerst serviert. Heinz Becker trank einen kräftigen Schluck. Danach schloss er
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