1847 - Schiff der verlorenen Seelen
gewachsen, sodass es aussah, als würde er immer grinsen.
»Steigen Sie ein, Herrschaften.«
»Ja, danke.«
»Und Sie wollen wirklich über das Meer fliegen?«
»Das hatten wir vor.«
»Gibt es genaue Koordinaten?«
Ich nickte.
»Okay, versuchen wir es.«
Suko und ich waren eingestiegen. Ich saß neben dem Piloten, Suko hatte hinter uns Platz genommen. Leicht wie eine Feder hob die Maschine ab, das jedenfalls empfand ich so.
Schon bald lag das Lichtermeer von London unter uns. Aber es war auch schnell verschwunden, als wir in Richtung Osten flogen, immer dem Fluss nach.
Ich konnte nur hoffen, dass wir nicht zu spät kamen. Denn wenn sich die Ghouls frei bewegen konnten und ihre Opfer in der Nähe wussten, gab es kein Pardon.
Der Pilot sprach mich an. »Ich hoffe ja nur, dass euer Schiff sich gut kenntlich gemacht hat. Denn einen Kahn im Dunkeln zu finden ist nicht eben eine leichte Aufgabe. Hier verschmelzen Meer und Himmel miteinander und wir haben nur noch dunkelgraue Soße.«
»Daran werden sie schon gedacht haben«, sagte ich.
»Hoffen wir’s.«
Wir flogen auf die Küste zu. Wenn ich nach unten schaute, stellte ich fest, dass die Lichter weniger geworden waren.
Es ging weiter in die Dunkelheit hinein, und es verging nicht mehr viel Zeit, da erreichten wir die Küste.
Schlagartig verschwanden auch die letzten Lichter. Jetzt lag der riesige Teppich aus Wasser unter uns, der nicht nur dunkel war, sondern an einigen Stellen auch helle Lichter aufwies. Und diese Lichter bewegten sich, denn es handelte sich um Schiffe. Wie ich von dem Piloten erfahren hatte, waren noch Fähren unterwegs, die von Dänemark, Belgien und den Niederlanden fuhren.
Unser Kurs führte uns nach Osten und dann um ein paar Grad nach Norden. Ob wir noch mal Kontakt mit dem Kapitän bekommen würden, war fraglich, aber Suko versuchte es ohne Unterlass.
Ich drehte den Kopf und fragte ihn: »Hast du es geschafft?«
»Nein, es gibt keine Verbindung.«
»Mist.«
»Ich versuche es weiter.«
»Okay.«
Ich hatte meinen Blick gesenkt. Der Boden unter meinen Füßen war nicht gläsern, so musste ich schon aus dem Fenster schauen, wenn ich in die Tiefe sehen wollte.
Das klappte an der Seite ebenso wie nach vorn. Aber da war nichts zu sehen. Nur dieser gewaltige Teppich, der keinen Anfang und kein Ende zu haben schien.
Und dann war da doch etwas. Und zwar genau auf unserem Kurs. Da kein Nebel herrschte, war die Sicht gut, und so sahen wir vor uns einen helleren Schein auf dem Wasser.
»Was ist das?«, rief ich dem Piloten zu.
»Könnte unser Ziel sein.«
Ich starrte ihn an. »Meinen Sie das im Ernst?«
»Ja, das meine ich.«
Ich drehte den Kopf und machte Suko auf den hellen Fleck aufmerksam.
»Ist es das Schiff?«
»Es könnte sein.«
»Super.« Er lachte. »Dann hat dieser Kapitän ja gut reagiert. Er lässt uns nicht im Dunkeln.«
Ich hoffte, dass auf dem Segler so gut reagiert worden war. Wir kamen jetzt schnell näher.
»Soll ich tiefer gehen?«, fragte der Pilot.
»Ja!«, rief ich.
»Und dann? Bleibt es dabei, dass Sie sich abseilen wollen?«
»Ja!«, rief ich zurück. »Oder haben Sie eine bessere Idee?«
»Nein, aber ich kann Ihnen sagen, dass es schwierig werden kann.«
»Darauf sind wir eingestellt.«
»Ich kann wegen der Segel nicht so tief gehen, und es ist auch schwer, Sie genau über dem Schiff abzuseilen. Ich will nicht den Segeln ins Gehege kommen. Aber ich werde so tief nach unten gehen wie eben möglich.«
»Werden wir sehen.« Ich spürte meine innere Erregung, die zunahm, je tiefer wir gingen. Es war ein gefährliches Spiel, auf das wir uns eingelassen hatten. Und ich konnte uns nur beide Daumen drücken, dass es auch klappte.
Ich sprach Suko an. »Hast du auch eine Idee?«
»Nein, keine.«
»Okay, dann werden wir sehen, wie alles abgeht.« Als ich diesen Satz sagte, klang meine Stimme recht belegt …
***
Arne Rundberg dachte an nichts mehr. Er hatte sein Denken ausgeschaltet, denn er wollte nur versuchen, die Ghouls zu stoppen.
Wo sich die anderen Mitglieder seiner Mannschaft aufhielten, wusste er nicht. Alles war durcheinander. Er konnte sich vorstellen, dass sich auch die Ghouls aufgeteilt hatten und jetzt Jagd auf die Menschen an Bord machten.
Er aber rannte weiter.
Mal blendete ihn das Licht, mal lief er durch die Dunkelheit, und es war sein Glück, dass er sich so gut auskannte. So prallte er gegen kein Hindernis. Er kam gut voran und hörte Schreie.
Das war die Stimme des
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