185 - Die drei Gesichter des Todes
Touristen verkauften. Ging das Geschäft mal schlecht oder überhaupt nicht, dann bestahl Lorenzo die Touristen.
Er war ein wendiger Taschendieb, der die kleinste Gelegenheit zu nützen wußte. Anfangs war Cora mit ihm glücklich gewesen. Sie stellte keine großen Ansprüche. Lorenzos Liebe hatte genügt, um sie zu veranlassen, mit ihm durch dick und dünn zu gehen.
Doch heute liebte Lorenzo sie nicht mehr. Sie hielt nur noch die Gewohnheit zusammen. Lorenzo trank viel und war hinter jedem Weiberrock her.
Im Moment befand er sich allein in der ärmlichen Behausung. Er lag auf einer zerschlissenen Matratze, billiger Fusel stand neben dem schäbigen Bettgestell.
Er griff in unregelmäßigen Abständen zur Flasche und nahm einen Schluck, um seinen Geist noch mehr zu benebeln. Nur in diesem Zustand liebte er das Leben.
Die Tür knarrte.
»Cora?« fragte Lorenzo, ohne die Augen zu öffnen.
Da er keine Antwort bekam, drehte er den Kopf und schaute zur Tür. Als er Xematha erblickte, glaubte er, eine schöne Halluzination zu haben.
Er setzte sich auf, drehte sich und stellte die Füße auf den Boden.
»Was ist denn das?«
Grinsend erhob er sich. Er bemühte sich um eine gerade Haltung, versuchte nicht zu schwanken. Das Mädchen sollte nicht sehen, wie schwer betrunken er war.
»Sehe ich richtig?« Ein unsicherer Ton schwang in seiner Stimme mit. Es ließ sich nicht vermeiden, daß er mit schwerer Zunge sprach.
Xematha trat näher.
»Ein Engel kommt in meine bescheidene Hütte!« sagte Lorenzo überwältigt. »Du willst doch nicht etwa zu mir?« Xematha lächelte ihn verführerisch an. »Aber ja. Ich möchte mich bei dir verstecken. Ich werde verfolgt.«
Lorenzo spielte sofort den Ritterlichen. Er nahm eine kriegerische Haltung an und zog die Augenbrauen grimmig zusammen. »Von wem?« wollte er wissen.
»Von einem Mann.«
»Ich werde dich beschützen«, versprach Lorenzo, »aber dafür möchte ich von dir etwas haben, eine kleine Anzahlung. Natürlich denke ich bei einem so atemberaubend schönen Mädchen nicht an Geld. Du darfst mich in Naturalien entlohnen. Ein Kuß würde mir für den Anfang reichen.«
Xematha ließ ihn an sich heran. Er packte sie leidenschaftlich. Gierig drückte er seine feuchten Lippen auf ihren vollen Mund.
Die Dreifache ließ ihn gewähren. Doch er sollte bekommen, was sie wollte.
Während des Kusses hatte er automatisch die Augen geschlossen, um ihn voll zu genießen. Anfangs war es auch ein Genuß für ihn, aber dann änderte sich etwas an seiner Empfindung.
Seine Lippen spürten unbegreiflicherweise Härte, und als er die Augen öffnete, sah er, warum: Er küßte einen Totenkopf!
***
Entsetzt und angewidert ließ er von Xematha ab. Ein heiserer Schrei entrang sich seiner Kehle. Er taumelte zurück und wischte sich heftig mit dem Handrücken über den Mund.
Das ist der Alkohol! hallte es in seinem benebelten Kopf. Ich bin dem Säuferwahn verfallen! Ich sehe grausige Gespenster!
Die Knochenfratze schleuderte ihm ein hohntriefendes Gelächter entgegen. »Was hast du denn? Findest du mich auf einmal nicht mehr begehrenswert?«
Sie ist wirklich da!
Darüber versuchte sich Lorenzo klarzuwerden.
Es gibt sie tatsächlich! Sie ist keine Einbildung, keine Ausgeburt meiner Phantasie!
Schreiend ergriff er die Flucht. Er warf sich mit der Schulter gegen eine schmale Hintertür, die nie benutzt wurde. Dementsprechend schwer ließ sie sich öffnen. Mit seiner Aufprallwucht drückte er zwei rostige Nägel aus dem Rahmen und stolperte ins Freie.
Er nahm den Schwung gleich für die Fortsetzung mit, wankte den ausgewaschenen Weg entlang, ließ die Häuser hinter sich und brachte sich über die schroffen Klippen in Sicherheit.
Zweimal rutschte er aus und wäre um ein Haar abgestürzt. Zitternd, als wäre er dem Teufel begegnet, klammerte er sich an die Felsen und konnte sein grauenvolles Erlebnis nicht begreifen.
In seinem Asyl vollzog sich indessen eine erschreckende Wandlung: Xematha, die Dreifache, teilte sich!
Neben der strahlenden Schönheit stand ein furchterregendes graues Skelett, und neben diesem flatterte ein großer Totenkopffalter durch den Raum.
Von diesem Moment an hatte es Tony Bailard nicht mehr mit nur einem Feind, sondern mit dreien zu tun.
***
Nachdem die Polizei ihn entließ, nahm sich Lance Selby ein Taxi und kehrte nach Paddington zurück. Er war deprimiert, und schwere Schuldgefühle plagten ihn.
Hatten sie es Mago zu leicht gemacht?
Lance hatte angenommen,
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