1851 - Dreizehn Seelen für den Satan
kleines Dorf zu dieser Zeit nicht einmal sonderlich ungewöhnlich. Was Suko jedoch auffiel, war die gespenstische Stille. Nirgendwo war auch nur der leiseste Laut zu hören. Aus den romantisch anmutenden Backsteinhäusern drang nicht das kleinste Geräusch.
Da war nur Totenstille.
Suko leckte sich über die Lippen und hoffte, dass er nicht zu spät gekommen war.
Mit vorsichtigen Schritten bewegte er sich über die Hauptstraße von Morley in Richtung Zentrum. Es dauerte nicht lange, bis er sein Ziel erreichte. Der Ortskern bestand aus einer großen Freifläche vor der Dorfkirche.
Suko pfiff leise durch die Zähne, als er unweit des Gotteshauses Johns Wagen erkannte. Sein Gefühl hatte ihn also nicht getrogen. Er war tatsächlich hier!
Hastig beschleunigte Suko seine Schritte und untersuchte den Wagen. Er war natürlich abgeschlossen. Dennoch hatte er nun endlich einen handfesten Beweis für Johns Anwesenheit.
Der Chinese überlegte kurz und sah sich um. Am anderen Ende des Platzes konnte er einen hell erleuchteten Pub erkennen. Sofort huschte ein Lächeln über seine Züge. Kneipen waren immer gute Informationsquellen. Vielleicht hatte dort ja jemand eine Ahnung, wo John abgeblieben war.
Kurz entschlossen lenkte Suko seine Schritte in Richtung Pub. Schon nach einigen Metern runzelte er die Stirn. Das Publikum schien nicht besonders feierfreudig zu sein, denn von dem üblichen Kneipenlärm war keine Spur zu hören. Auch hier war es totenstill.
Die Miene des Chinesen verhärtete sich. Dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging, war unschwer zu bemerken. Dennoch trat er ohne zu Zögern ins Innere der Gaststätte.
Im Schankraum blieb er wie angewurzelt stehen.
Der Pub war tatsächlich gut besucht. Zahlreiche Gäste saßen an den verschiedenen Tischen. Gefüllte, aber unberührte Gläser standen vor ihnen. Die Menschen starrten ins Leere und unwillkürlich fühlte sich Suko an geistlose Zombies erinnert.
Einen Moment war er versucht, zurückzuweichen und die Kneipe wieder zu verlassen. Dann jedoch überwand sich der Chinese und er durchquerte das Lokal selbstsicher, bis er die Theke erreichte, hinter der ein Wirt mit einstudiert wirkenden Bewegungen seinen Dienst versah. Die Augen des Mannes waren leer und erinnerten an dunkle Kiesel. Keinerlei Gefühl war darin zu lesen.
Er war im selben Zustand wie auch die zahlreichen Gäste seines Lokals.
Suko beschloss dennoch, sein Glück zu versuchen.
»Guten Abend, Sir«, begrüßte er den Wirt freundlich.
»Mhh«, machte dieser. Es dauerte einige Sekunden, dann klärte sich der Blick des schmerbäuchigen Mannes ein wenig. »Was möchten Sie trinken?«, fragte er in geschäftsmäßig monotonem Tonfall.
»Nichts, danke«, antwortete der Chinese freundlich. »Ich bin auf der Suche nach jemandem.«
Gleichzeitig zückte Suko seinen Yard-Ausweis und hielt ihm dem Wirt unter die Nase.
Dieser musterte ihn nur beiläufig. Seine Miene versteinerte förmlich. Gleichzeitig schien die Temperatur im Raum um mehrere Grade abzusacken.
»Noch ein Schnüffler?«, fragte er. Seine Augen leuchteten kalt.
»Genau«, sagte Suko trocken, »und ich wüsste zu gern, was aus meinem Vorgänger geworden ist.«
»Das glaube ich Ihnen aufs Wort«, gab der Wirt zurück und ließ ein heiseres kleines Lachen hören. Kurz verschwanden seine fleischigen Pranken unter der Theke. Als seine Hände wieder zum Vorschein kamen, hielt er eine Axt darin.
»Oha«, machte Suko. »Sie müssen nicht gleich unfreundlich werden. Legen Sie das Ding weg!«
Der Wirt schüttelte unendlich langsam den Kopf und lächelte kalt. Im Hintergrund konnte Suko Geräusche hören. Kurz warf er einen Blick nach hinten. Die übrigen Gäste des Pubs hatten sich von ihren Stühlen erhoben und sich drohend aufgebaut.
Grinsend wog der Wirt die Axt in den Händen. Er fixierte Suko, als überlege er, wohin er ihm den ersten Hieb versetzen sollte.
»Hier kommst du nicht mehr lebend raus, Schlitzauge«, erklärte er. Mordlust glitzerte in seinen Augen. Man sah förmlich, wie er sich in einen Blutrausch hineinsteigerte.
Die übrigen Gäste zogen ihren Kreis etwas enger. Sie waren entschlossen, Suko nicht entkommen zu lassen.
Der Chinese fluchte unterdrückt. Die Leute waren samt und sonders besessen. Irgendetwas hatte ihren Geist völlig im Griff. Das bedeutete, dass sie für ihre Taten nicht wirklich verantwortlich waren. Die Waffe zu ziehen, verbot sich daher von selbst. Er durfte diese Menschen nicht verletzen. Doch
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