1851 - Dreizehn Seelen für den Satan
sehenden Auges in die Gefahr gestürzt.
Der sonst so ruhige Chinese stieß einen leisen Fluch aus und schob den Schreibtischstuhl zurück. Schnell kritzelte er eine Notiz nieder, die er anschließend auf Glendas Schreibtisch deponierte. Anschließend raffte er in Windeseile seine Ausrüstung zusammen.
Nur wenige Minuten, nachdem Suko seine Recherchen über Morley abgeschlossen hatte, saß er bereits im Wagen.
Der abendliche Verkehr in London war mörderisch und nachdem er die Innenstadt verlassen hatte und die Autobahn erreichte, gestattete sich der Chinese ein leichtes Aufatmen.
Wenn er gut durchkam, würde er vielleicht anderthalb Stunden bis Morley brauchen, so hatte sich Suko ausgerechnet. Falls er Glück hatte und alles aus dem Wagen rauskitzelte, möglicherweise sogar schneller.
Kurz entschlossen trat der Chinese das Gaspedal durch und drückte ordentlich auf die Tube.
John war in Gefahr, das spürte er ganz deutlich.
Wenn von den Dingen, die er über Morley gelesen hatte, auch nur die Hälfte stimmte, dann wurde es dringend Zeit, dort nach dem Rechten zu sehen.
Suko hoffte inständig, dass er noch rechtzeitig kam, um ein weiteres Blutbad zu verhindern …
***
Als ich erwachte, hatte ich das Gefühl, mein Schädel müsse jeden Moment zerspringen. Bunte Feuerräder explodierten vor meinen Augen und machten es mir unmöglich, etwas zu sehen. Nur langsam klärte sich mein Blickfeld.
Über mich gebeugt sah ich das Gesicht einer etwa dreißig Jahre alten Frau. Sie hatte blondes Haar und sah ehrlich besorgt aus.
»Shh«, machte sie, als ich mich vorsichtig aufrichten wollte. »Sie haben ganz schön was auf den Kopf bekommen. Bleiben Sie besser liegen!«
Natürlich versuchte ich den Rat zu ignorieren. Wahrscheinlich, weil ich ihr zeigen wollte, was ich für ein harter Bursche war. Aber sofort begann sich alles um mich herum zu drehen. Mein Magen geriet ins Schlingern. Sachte ließ ich mich wieder zurücksinken.
»Sehen Sie, ich habs Ihnen doch gesagt«, trumpfte die Blondine prompt auf.
»Ist ja gut«, presste ich hervor.
Vorsichtig tastete ich nach meinem schmerzenden Hinterkopf. Dort wo mich der mörderische Hieb getroffen hatte, konnte ich verkrustetes Blut fühlen. Ich hatte ganz schön was abbekommen!
Blinzelnd sah ich mich um. Wir befanden uns in einem schmutzigen, fensterlosen Kellergewölbe. Mein Kreuz hatte man mir abgenommen. Auch die Beretta war fort. Man hatte mich gründlich ausgeplündert. Die Erkenntnis, plötzlich waffenlos zu sein, versetzte mir einen ganz schönen Schlag.
»Wo bin ich?«, fragte ich schließlich, nachdem das schmerzhafte Pochen ein wenig abgeklungen war, »und wer sind Sie?«
»Susan Blakely«, stellte sich die Unbekannte vor. »Wir sind im Keller des Gemeindehauses eingesperrt.«
»Sinclair«, erwiderte ich, »John Sinclair. Ich arbeite für Scotland Yard. Haben Sie einen Schimmer, was hier vorgeht?«
Susan nickte langsam. In stockenden Worten begann sie zu berichten, was sich in Morley ereignet hatte.
»Der Pfarrer?«, fragte ich ungläubig, als sie mir erklärte, wer mich niedergeschlagen hatte. Die Angst des Mannes musste größer gewesen sein, als ich angenommen hatte. Ich fluchte innerlich. Hätte ich auf mein Gefühl gehört und mich gleich ausführlicher mit ihm befasst, wäre mir meine momentane Situation möglicherweise erspart geblieben.
Nachdenklich rieb ich mir das Kinn. Glaubte ich Susans Worten, ging in Morley tatsächlich eine Hexe um. Und diese hatte es ganz offensichtlich geschafft, sich bereits den ganzen Ort untertan zu machen.
Das war umso niederschmetternder, da ich nun waffenlos war.
»Bleiben Sie liegen, Mister«, ermahnte mich Susan, als ich wiederum Anstalten machte, aufzustehen.
»Nennen Sie mich ruhig John«, erwiderte ich und wehrte ihre fürsorglichen Hände ab, um torkelnd wieder auf die Füße zu kommen. Einen Moment schwankte ich noch, dann gewann ich mein Gleichgewicht wieder.
»Susan«, antwortete die Blondine. Ich nickte ihr noch einmal freundlich zu.
Sie beobachtete meine Bemühungen skeptisch und schien sichtlich erleichtert, als ich es schaffte, tatsächlich auf den Beinen zu bleiben. Leicht fiel es mir jedoch nicht. Immer noch spürte ich Schwindelgefühle und Übelkeit. Der wackere Reverend hatte mir wirklich ein Mordsding verpasst.
Vorsichtig begann ich damit, den etwa fünf mal fünf Meter großen Raum zu untersuchen. Der Keller roch muffig und feucht. Eine kleine Treppe führte hinauf zur Eingangstür, die sich
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