1853 - Im Zeichen von Thoregon
Frage mit Muum Dugesm diskutiert, der ihr ebenfalls keine befriedigende Antwort zu geben vermochte. Sie war wieder viel bei ihm und Kebaana, die mit ihm inzwischen eine echte Partnerschaft eingegangen war. Sie waren Freundinnen geworden. Jeder Aufenthalt bei Dugesm war für Kaif eine Erholung von der Arbeit an der Baustelle im All und ihren Verpflichtungen der Öffentlichkeit gegenüber.
Kaif hegte seit langem den Verdacht, daß Ce Rhioton einigen Galornen ebenfalls davon erzählt habe, daß er auf eine sehr lange Reise gehen und vielleicht .nicht zurückkehren würde. Anders war die Aufmerksamkeit kaum zu erklären, die ihr entgegengebracht wurde. Es waren nicht mehr nur Respekt und Bewunderung, es war teilweise geradezu eine Verehrung.
In Ce Rhiotons Abwesenheit war Kaif Chiriatha endgültig die Geachtetste und Einflußreichste unter der Galornen geworden. Sie mußte regelmäßig präsent sein und Fragen beantworten, ihre Meinung kundtun und neue technische Vorhaben begutachten.
Muum Dugesms Haus war da wie eine Insel der Ruhe, wo sie niemand zu stören wagte.
Mit um so größerer Sorge mußte sie beobachten, daß der wie ein Vater geliebte ehemalige Lehrer wieder an Kraft verlor. Er hatte sich fünfzig Jahre lang großartig gehalten. Die platonische Beziehung zu Kebaana Deyst war wie ein Jungbrunnen für ihn gewesen.
Doch nun begann der körperliche Verfall erneut und zusehends schneller. Muum Dugesm wußte wohl schon, daß es diesmal kein Wunder mehr geben würde, das ihm neue Lebenskraft schenkte und seinen alten Körper revitalisierte.
Sein Lebensmut jedoch blieb ungebrochen. Er redete offen über seinen Zustand und den Tod. Er sah in ihm tatsächlich eine Form des Übergangs in eine neue, andere Existenz. Und eines Tages, als Kebaana nicht im Haus war, trug er Kaif Chiriatha die einzige große Bitte vor, die er noch hatte: „Wenn es soweit ist, Kaif, dann bring mich nach Galorn zum Sterben. Ich wünsche mir, daß sich mein Geist über die Stadt Gaalo ausbreitet und Teil dieses Universums wird, während meine Seele an sich dorthin geht, wo noch niemand von uns Lebenden gewesen ist. Ich möchte im Feld der Schriften unserer aller Urheimat sterben. Willst du mir diesen Gefallen tun?"
Wie hätte sie ablehnen können!
Kaif versprach es ihm. Erst nachdem sie sein Haus wieder verlassen hatte, kamen ihr die damit verbundenen Schwierigkeiten zum Bewußtsein. Aber Dugesm ließ ihr nicht viel Zeit, sich den Kopf zu zerbrechen, denn plötzlich ging alles sehr schnell.
Vier Wochen arbeitete sie bereits im Weltraum, als sie die Nachricht erreichte, daß der Todkranke sie sehen wolle. Kebaana empfing sie mit verweinten Augen und führte sie zu ihm.
Kaif sah mit einem Blick, daß es an der Zeit war, ihre Zusage einzulösen. Sie hoffte, daß es noch nicht zu spät war und Muum den Galornenstern lebend mit ihr erreichte.
Sie flog mit einem galornischen Stummelschiff aus der Dunkelwolke, einem grob zylinderförmigen, fünfhundert Meter langen Raumer mit nach oben gekrümmtem Bug. Nur wenige Eingeweihte wußten von ihrer vorübergehenden Abwesenheit, und diese wenigen schwiegen.
Zwei Tage später erreichte das Stummelschiff den Galornenstern und dessen einzigen Planeten.
„Wir sind angekommen", sagte Kaif sanft zu Dugesm, der vor ihr auf einer Liege lag. Ihre rechte Hand hatte sie unter seinen Kopf geschoben und stützte ihn, während sie mit der linken über seine Stirn strich. „Es heißt Abschied nehmen, Muum."
Er hatte nicht mehr die Kraft, ihr zuzunicken, aber seine Augen lächelten glücklich und zeigten ihr, daß sein Geist auch jetzt noch hellwach war. Die rätselhafte, heimtückische Krankheit hatte den Körper besiegen können, aber nicht die Persönlichkeit.
„Ich werde eins werden mit dem Universum", flüsterte der Sterbende. „Ich habe alles gehabt, was sich ein Galorne vom Leben wünschen darf, Kaif. Und ich habe erleben dürfen, wie ein großes Kind unseres Volkes seinen Weg fand."
Natürlich meinte er sie damit. Sie schluckte, und plötzlich merkte sie, wie ihre Augen wäßrig wurden.
Kaif Chiriatha weinte!
Sie glaubte, sie hätte es nie wieder gekonnt, doch nun mußte sie sich beherrschen, um ihre verzweifelten Gefühle nicht unkontrolliert aus sich herausbrechen zu lassen. Sie beugte sich vor und drückte ihr Gesicht noch einmal ganz fest an das des alten Mannes.
„Ich werde dich nie vergessen", sagte sie mit tränenerstickter Stimme. „Und ich werde dafür sorgen, daß kein Galorne
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