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1866 - Am Ende einer Hoffnung

Titel: 1866 - Am Ende einer Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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ihrer molekularen Bindungskräfte beraubte Materie wurde von Wandlern wiederum auf die Wände aufgebracht und in eine stahlharte Stützmasse umgeformt.
    Im Laufe von zehn Stunden entstand ein kleines Labyrinth aus Gängen und Kammern, in denen wir Holoprojektoren mit herausragenden Lebensdaten der Zwillinge plazierten. Natürlich spielte die Sentimentalität eine bedeutende Rolle, aber warum hätten wir es nicht tun sollen? Irgendwie weigerte selbst ich mich immer noch, zu akzeptieren, daß die Zwillinge wirklich von uns gegangen waren. Es erschien mir, als könnten wir durch diese Vorrichtungen Mila und Nadja an uns binden. Oder wenigstens die Erinnerung an sie wachhalten.
    Weil niemand wirklich tot ist, solange er in den Gedanken seiner Freunde weiterlebt.
    Zwangsläufig dachte ich an die Gefährten der frühen Tage, an Betty Toufry, Iwan Iwanowitsch Goratschin, an die Woolver-Zwillinge und die anderen, die im Glauben an eine bessere Zukunft gestorben waren. Jeder von uns hatte eines Tages den Preis für sein Leben zu zahlen, ohne Kompromisse und ohne die Möglichkeit, darüber zu verhandeln.
    Die Vandemar-Schwestern gaben ihr Leben, um anderen zu helfen, bemerkte der Extrasinn. Auf solchen Humbug wie Hologramme für die Nachwelt würden sie keinen Wert gelegt haben.
    Ich antwortete nicht darauf. Schließlich gibt es Werte und Traditionen, über die man nicht diskutierte, auch nicht mit einem zweiten Ich, genannt Extrasinn.
     
    *
     
    Noch im Tod strahlten Mila und Nadja Vandemar Zufriedenheit und einen tiefen Frieden aus; eine Aura schien die Zwillingsschwestern zu umgeben, die sich mit dem menschlichen Verstand nicht erklären ließ.
    Unter dem 30. Juni 1289 NGZ hatte Homer G. Adams den Tod der Zwillinge in das Logbuch eingetragen. Inzwischen schrieben wir den 21. Juli, doch an den sterblichen Überresten war keine Veränderung mehr zu erkennen. Völlig kristallisiert (auch die Kleidung war von diesem rätselhaften Prozeß erfaßt und verändert worden), hielten Mila und Nadja einander im Tod umschlungen. Myriaden funkelnder Kristalle verliehen ihnen eine schier überirdische Schönheit.
    Von Antigravfeldern getragen, schwebte der energetische Schrein mit den sterblichen Überresten der Schwestern an mir vorbei. Für einen Augenblick schloß ich die Augen.
    Lebt wohl, Mila und Nadja, wo immer ihr in diesem Moment sein mögt.
    „Werden wir uns eines Tages wiedersehen?" flüsterte Dao-Lin-H’ay Mit geschmeidigen Bewegungen folgte sie dem Schrein an Bord der Space-Jet, die uns auf die Oberfläche des Planeten bringen würde.
    Nur wir vier, Homer, Myles, Dao-Lin und ich, sowie eine Handvoll Roboter. Keiner redete, als die Jet den Hangar verließ und in die Atmosphäre eintrat. Zweimal umrundeten wir Saira, bevor das Schiff exakt an jener Position landete, an der einst auch die AIOLOS niedergegangen war. Hier hatte die Mutter der Zwillinge bei einem tragischen Unfall den Tod gefunden, hatte nie die Chance erhalten, als Lebende ihren Fuß auf die Oberfläche des Planeten zu setzen. Aus dem offenen Schott des 100-Meter-Kugelraumers war sie in dem Gedränge nach der Landung abgestürzt, und nichts und niemand hatte das verhindern können. Saira lag in der Erde der nach ihr benannten Welt begraben, und nun waren auch ihre Töchter an diesen Ort zurückgekehrt.
    Vier Roboter schwebten mit dem Schrein ins Freie hinaus.
    Eine kühle Brise wehte uns entgegen, es regnete leicht. Der Himmel über der Siedlung war wolkenverhangen und trübe.
    . Ich dachte an Guckys lange Suche nach den Zwillingen, an ihren gemeinsamen Besuch auf Wanderer.
    Ernst Ellert hatte Mila und Nadja ihre Aktivatoren gegeben.
    Der Regen wurde heftiger, deshalb projizierten die Roboter ein Schirmfeld über uns, das die Nässe abhielt.
    „Weg damit!" protestierte Dao-Lin-H’ay. „Soll das Andenken der Schwestern befleckt werden?"
    Sie bemerkte meinen überraschten Blick und fuhr fort: „In meiner Heimat sagt man, daß der Himmel weint."
    „Das war auch früher auf der Erde so", murmelte Homer G. Adams. Sein schütteres Haar klebte bereits naß am Schädel, doch er schien es nicht zu registrieren. Unverwandt ruhte sein Blick auf den kristallisierten Leichen.
    Vergeblich hatten unsere Wissenschaftler versucht, die Ursache der Kristallisation herauszufinden.
    „Die Tränen des Himmels sind zugleich die Tränen der Verstorbenen", sagte Dao-Lin-H’ay. „ein letzter Gruß an alle Freunde. Wer sich den Tränen entzieht, entehrt das Andenken der

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