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1866 - Am Ende einer Hoffnung

Titel: 1866 - Am Ende einer Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Apasos-Blues schon nicht mehr gewagt hatten, die Stadt zu betreten.
    Verlassene Straßen bestimmten das Bild. Der Nahverkehr war zusammengebrochen. Leer spannten sich die gläsernen Antigravschächte und Transportbänder zwischen den himmelstürmenden Bauten.
    Ein Vogelschwarm flatterte in die Höhe, aufgeschreckt von einem Robottaxi, das seiner programmierten Route folgte. Keine Fahrgäste stiegen zu. Der Steuersyntron erkannte vielleicht die Sinnlosigkeit seines Einsatzes, aber er war nicht in der Lage, die Fahrt eigenständig zu beenden.
    Aus dem Schatten sich spiralig in schwindelnde Höhe reckender Gebäude schwebte die Sonde ins gleißende Sonnenlicht. Pahl war eine große rote Sonne, die rötliche Färbung des Himmels verlich der Szenerie einen surrealen Anstrich, als zeichne ein Aktionskünstler, für dieses ausgedehnte Stilleben verantwortlich.
    Der Bildausschnitt wechselte, die Wandung einer Transportröhre sprang den Beobachtern entgegen.
    Aber nicht die sich verzerrt spiegelnde Skyline war gemeint, sondern die mit Leuchtfarbe aufgesprühten Graffiti. Keine Schriftzeichen, auch keine in der Symbolschrift der Blues, sondern wirres Zeug, Linien, geometrische Muster.
    Das Datum bewies, daß die Aufnahmen zwei Tage alt waren.
    „Mehr als hunderttausend Bewohner waren bereits betroffen", sagte der Sachbearbeiter.
    Gestellte Aufnahmen? Vielleicht. Aber wieso?
    „Ich möchte Aufnahmen sehen, die vor diesem Zeitpunkt gespeichert wurden", forderte Dao-Lin-H’ay „Es gibt keine", behauptete der Blue. „Als auffiel, daß in dem am dichtesten besiedelten Stadtteil der Kritzelwahn ausgebrochen war, schickten wir nur noch die Sonden aus."
    Ein Widerspruch? Nicht zwangsläufig. Auch nicht bei einem Volk, das so dicht gedrängt lebte wie die Blues. Wer wirklich vom Kritzelwahn befallen war, der sah und hörte nicht mehr, was um ihn herum vorging, der widmete sich nur noch seinen bizarren Zeichnungen, und das änderte sich erst in dem Moment, in dem er aus eigener Kraft den Kreis entdeckte, den Kreis, der sich in Goedda und dem Brutkosmos schloß.
    Aber weder Goedda noch ihre Blase im Hyperraum mit dem Abbild von Planetenlandschaften existierten mehr.
    Die Spionsonde bahnte sich ihren Weg durch einen Lüftungsschacht. Der Raum, in dem sie das Leitungssystem verließ, war das Äquivalent eines terranischen Wohnzimmers, eine Glasfassade mit atemberaubendem Blick über die Stadt. Siebzehn Tellerköpfe standen, saßen oder lagen herum und widmeten sich ihren Schmierereien. Die Wände waren längst zu einem psychedelischen Farbenmeer geworden, ebenso der hauchdünne Bildschirm des Kommunikationsnetzes. Auf Folien wurde gekritzelt und mit den Programmen einer veralteten Haushaltssyntronik, deren optische Ausgabe ein kugelförmiges Hologramm gestaltete.
    Siebzehn Blues - das war eine relativ normale Familie. Immerhin betrug die Tragezeit der weiblichen Blues nur drei Monate, und bei jeder Geburt kamen mehrere Kinder zur Welt.
    „Wir wurden spät aufmerksam", gestand Gorrü Yanzap zerknirscht. „Das liegt an den Beschwichtigungsversuchen der Terraner. Jeder behauptet, die Gefahr sei zu Ende ..."
    „Sie ist zu Ende!" sagte Dao-Lin.
    „Und wofür hältst du das?"
    Vierzehn Finger umklammerten den linken Oberarm der Kartanin und bohrten sich schmerzhaft in ihre Muskeln. Der Blue zerrte sie nach vorne, stieß sie fast mit dem Gesicht auf das Hologramm.
    „Sieh es dir an!" Yanzap war am Ende seiner Beherrschung angelangt, und Dao-Lin mußte sich eingestehen, daß ihr das Bild der teilweise sogar mit beiden Händen kritzelnden Blues an die Nieren ging.
    Deshalb wehrte sie sich auch nicht gegen Yanzaps harten Griff.
    „Sieh hin!" stieß er erregt hervor, und sie spürte sein Zittern. Yanzap war entweder ein guter Schauspieler, oder er war wirklich überzeugt davon, daß ein Philosoph ausgerechnet Apas heimgesucht hatte.
    „Das war vor zwei Tagen. Obwohl wir sofort mit der Evakuierung begannen, wurden inzwischen weitere hunderttausend Bewohner vom Wahnsinn befallen. Drei Viertel der Stadt sind verwaist, trotzdem wissen wir nicht, ob wir die Ausbreitung unter Kontrolle bringen konnten."
    Die Bildwiedergabe wechselte nun rasch, nicht aber die Aussage. Die Blues kritzelten wie kleine Kinder - Linien, geometrische Figuren, undefinierbares Zeug. Nichts anderes taten sie, das Kritzeln war ihr Lebensinhalt geworden.
    Fast genauso war es bei den Menschen auf der Erde gewesen.
    Und auf Olymp ... Auch auf Topsid ... Und ... und ... und

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