1869 - Gesang der Kleinen Mütter
benehmen würde."
„Eben doch", klammerte sie sich hartnäckig an ihre Selbstzweifel.. „Jafko ist jetzt ein erwachsener Husslar. Er ist nicht mehr in den Flegeljahren. Jetzt wird er sein Revier mit allen Mitteln gegen andere verteidigen. Ich habe es einfach zu spät bemerkt und heute abend nicht wahr haben wollen. Er ist mein Freund, verstehst du?" Ihre Augen wurden feucht. „So lange schon ..."
„Natürlich ist er das, und er ist ja auch nicht tot", tröstete er. „Du kannst die Dinge nun zum Besten wenden - für dich und für ihn. Meinst du nicht?"
Sie nickte. Dann wischte sie kurz über ihre Augen.
„Es tut mir so leid. Ich Vollidiot habe nicht einmal den Kode gewechselt, ich hab’s einfach vergessen ..." Sie musterte sein lädiertes Gesicht und tastete vorsichtig und fachmännisch seine Schultern ab.
„Bist du verletzt?"
„Abgesehen von meinem Stolz? Ich glaube nicht. Ein paar kleine Kratzer, und der Anzug ist hin. Das heilt alles oder ist ersetzbar. Dir ist hoffentlich auch nichts passiert ..."
Sie erinnerte sich an den Druck auf ihrer Brust und hustete.
„Du hast beinahe meine Rippen zerdrückt", beschwerte sie sich, beinahe wieder die alte. „Nach so viel Gewicht siehst du gar nicht aus!"
Atlan lachte leise. Der Schrecken war überstanden. Nun mußten sie das schwere Tier nur noch aus seinem Quartier schaffen, und er durfte sich für wenige Stunden noch einmal ein neues suchen.
Bré ließ sich nicht davon abbringen, Jafko wieder in ihrer Kabine unterzubringen.
„Wenn er zu sich kommt, wird er sehr traurig sein", versicherte sie Atlan. „Mir würde er niemals etwas tun, und solange ich bei ihm bin, unternimmt er auch keine Eskapaden. Laß mir die wenigen Stunden noch mit ihm, bitte."
„Na schön", gab der Arkonide zögernd nach. „Und was hast du dann vor?"
„Dich um eine Space-Jet bitten", antwortete sie prompt. „Ich maß Jafko nach Sabinn zurückbringen. Ich werde nicht lange unterwegs sein, das verspreche ich. Aber er hat es nicht verdient, die ganze Zeit elend eingesperrt zu sein. Myles kommt bestimmt noch ein paar Tage ohne mich aus."
„In Ordnung", stimmte er zu. „Sobald wir die GILGAMESCH erreicht haben, gebe ich dir eine Jet von der RICO, auf die ich jetzt überwechsle. Ich werde allerdings nicht mehr dasein, wenn du zurückkommst. Du meldest dich dann am besten gleich direkt bei Myles."
„Ich werde mich beeilen", versprach sie.
*
Später, mit dem bewußtlosen Jafko in ihrer Kabine, ließ Bré Tsinga sich ganz in, den Kummer hineinfallen. Nun war alles zusammengetroffen. Sie fühlte eine unbestimmte Wut auf den Husslar, der sich gerade in dieser dramatischen Zeit dazu entscheiden maßte, sich wie ein erwachsenes Männchen zu gebärden.
Sie wünschte, sie könnte seinen Hinauswurf noch hinauszögern, aber es hatte keinen Sinn. Jafko war zu einer wilden, reißenden Bestie geworden, seinen Instinkten gehorchend. Mochte er sich hinterher schämen, so nutzte das in dem Augenblick, wenn er sich nicht mehr in der Gewalt hatte, keinem. Er war eine Gefahr für alle, nicht nur für Atlan.
Das gefährdete aber auch ihre Arbeit. Nur zwei Tage fort zu sein konnte den Untergang bedeuten.
Natürlich sah sie sich nicht als Drehund Angelpunkt im Kampf gegen die Tolkander, aber sie hatte sich nun schon so nahe an die Lösung herangetastet. Jeden Moment konnte sie darauf kommen, aber natürlich nicht, wenn sie in der Gegend herumflog, um Riesenkatzen auszusetzen! Sie war sich so sicher gewesen ...
Und Jafko sah plötzlich so klein und hilflos aus, als er bewußtlos dalag. Mitleid und Wut wechselten sich ab. Er maßte in die Verbannung, es half nichts. Wie würde es in Zukunft sein ohne ihn?
Bré konnte es sich nicht vorstellen. Immer zusammen und dann ... nichts mehr ... diese fürchterliche Stille, wenn sie vom Dienst zurückkam. Keine Begrüßung mehr, kein empathischer Austausch mehr. Sie würde wahrscheinlich furchtbar einsam sein.
Und dabei - konnte sie noch nicht einmal ständig mit Zitaten um sich werfen, um diesen Mißstand wenigstens mit Wissen und Erinnerungen zu mildern wie ein gewisser unsterblicher Arkonide.
Sie schämte sich. Jafko hätte Atlan beinahe umgebracht. Das wäre die Sensation des Jahrtausends gewesen - der älteste Unsterbliche kam nicht im heldenhaften Kampf, sondern beim Angriff einer verrückt gewordenen Katzenbestie um!
Der Arkonide hatte sie einfach in den Arm genommen und getröstet, obwohl er der Angegriffene gewesen war. Er hatte
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