1869 - Gesang der Kleinen Mütter
automatisch offengelassen -, und herein stürmte eine wilde, etwa drei Meter lange, schwarzgelb gestreifte, sechsbeinige Bestie mit donnerndem Gebrüll und aufgerissenem Rachen.
Und Bré fiel siedendheiß ein, daß sie beim Weggehen wieder vergessen hatte, den Kode zu ändern.
Wahrscheinlich zum letzten Mal in ihrem Leben. Sie erkannte Jafko nicht wieder.
Die Psychologin wollte aufspringen, aber die Luft wurde ihr aus den Lungen getrieben, als. der Arkonide sich vor sie warf, um sie zu schützen. Sie japste und versuchte ihn wegzustoßen, um ihn seinerseits vor dem brüllenden Husslar zu schützen, der wie eine Furie in dem Quartier herumtobte und mit seinen mächtigen Pranken alles kurz und klein schlug.
Fetzen flogen, Mobiliar zersplitterte, Getränke- und Speisereste spritzten herum. Das Gebrüll der Riesenkatze übertönte mühelos alle anderen Geräusche und ließ Brés Ohren singen.
Sie sah, wie Atlan den Mund aufriß, und vermutete, daß er ebenfalls so laut wie möglich schrie, aber sie konnte keinen Ton von ihm hören. Er war inzwischen aufgesprungen und versuchte allen Ernstes, sich auf den Husslar zu stürzen.
Doch der drehte sich nur um und warf Atlan wie ein kaputtes Spielzeug durch die halbe Kabine.
„Jafko!" schrie Bré sich halb die Lunge aus dem Leib.
Der Arkonide landete an der Wand, fing sich im Sturz mit den Händen auf. Er wich gerade noch dem nächsten fetzenden Prankenschlag aus und sprang über die Reste eines zerschmetterten Sessels, um sich ein wenig Deckung zu verschaffen.
Für einen Moment trat eine entsetzlich schmerzende Stille ein, als Jafkos Gebrüll verstummte. Die Riesenkatze verharrte, furchterregend groß durch das gesträubte Fell. Die Augen flammten vor Haß und Zorn.
Die Lefzen waren zurückgezogen, so daß die herausragenden Säbelzähne noch größer wirkten.
Jafko knurrte. Ganz tief aus der Brust heraus. Zuerst leise, dann immer lauter. Langsam setzte er eine Pfote nach vorn. Erst jetzt fuhr er die messerscharfen gelben Krallen aus. Erst jetzt schien es wirklich ernst zu werden.
Atlan wartete nicht ab, bis der Husslar sprang. Er hechtete zur Seite, und Jafko drehte sich, bereit zum Sprung. Sein Knurren steigerte sich zu einem lauten Grollen, das sicherlich bald wieder in ein donnerndes Brüllen überging.
„Jafko, hör endlich auf!" schrie Bré.
Zumindest versuchte sie zu schreien. Sie brachte nur ein jämmerliches Krächzen heraus, ihre Stimme war heiser.
Endlich kam Atlan an seinen Handstrahler heran und drehte sich im richtigen Augenblick, als Jafko mit herausragenden Krallen und geöffnetem Rachen auf ihn lossprang.
Ein Strahl schoß quer durch den Raum und traf, der Husslar überschlug sich. Der Arkonide schaffte es gerade, mit einem Satz wegzukommen, bevor 350 Kilo erschlaffte Sehnen und Muskeln ihn unter sich begruben. Jafko prallte auf den Boden und blieb reglos liegen.
Bré stand still im Hintergrund. Sie sagte nichts.
Atlan steckte vorsichtshalber den Strahler ein. Sein Atem ging heftig, seine Kleidung war weitgehend ruiniert. An der rechten Wange hatte er einen kleinen, blutenden Kratzer von einem Glassplitter. Am nächsten Morgen würden sicherlich einige Beulen und blaue Flecken über diese Begegnung Zeugnis geben.
Die junge Frau rührte sich immer noch nicht.
„Er lebt", keuchte Atlan. Allmählich beruhigte sich sein Atem wieder. „Keine Sorge. Der Handstrahler ist automatisch auf Betäubung eingestellt. Jafko fehlt nichts. Er schläft jetzt nur."
Bré starrte ihn an. Langsam dämmerte ihr, was geschehen war und was der Arkonide gesagt hatte. Dann löste sich die Spannung. Sie begann so sehr zu zittern, daß Atlan sie fest in seine Arme schloß und beruhigend auf sie einredete.
Nach ein paar Minuten hatte sie sich wieder so weit gefaßt, daß er sie loslassen konnte.
„Es ist meine Schuld", sagte sie leise. Ihre Stimme klang immer noch heiser.
„Was für ein Unsinn!" widersprach er fast barsch.
„Doch ist es meine Schuld", wiederholte sie. „Ich hätte es wissen müssen. Besser gesagt, ich habe es gewußt. Aus reinem Egoismus habe ich es vor mir selbst geleugnet und dich in diese furchtbare Gefahr gebracht. So etwas darf einfach nicht geschehen, verstehst du?"
„He", sagte er sanft. Er ergriff sie bei den Schultern und lächelte auf sie hinab. „Vor ein paar Tagen hast du zu mir gesagt, daß du auch nur ein Mensch bist. Du bist keine auf Psychologie programmierte Maschine. Du konntest nicht vorhersehen, daß Jafko sich so
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