1869 - Gesang der Kleinen Mütter
hätt’s mir ja denken können, daß du uns nicht lange die Ehre geben wirst."
Sie zuckte mit den Achseln. „Momentan ist es wohl das beste. Die FARGO wird in den Kampf ziehen, und da gibt es für mich nichts zu tun. Fürs Nichtstun werde ich aber nicht bezahlt, Tom. Daher werde ich Kantors Team zugeteilt - aber nur auf Zeit, versteht sich. Sollten wir diese Misere tatsächlich heil überstehen, muß ich neu verhandeln."
Er hob ihre Hände an seine Lippen. „Lieb von dir, daß du dich von mir verabschiedest."
„Es kam ein bißchen plötzlich, ich weiß", sagte sie ein wenig traurig. „Aber auch für mich. Es hat sich alles erst gestern abend entschieden."
„Ich find’s okay."
„Lange Abschiede sind eh bescheuert", murmelte sie. „Man hängt nächtelang in der Kneipe rum, läßt sich die Birne vollaufen und findet keinen Gesprächsstoff mehr. Aber ein bißchen Zeit wollte ich mir schon dafür nehmen."
„Dafür lass’ ich mich gern aus dem Bett holen."
„Außerdem sind wir nicht aus der Welt! Wir bleiben weiterhin in Verbindung, nicht wahr? Wann wir uns wiedersehen, weiß ich aber nicht."
„Es kommt, wie’s kommt", gab er weise von sich.
Sie standen auf und umarmten sich.
„Mach’s gut, schönste aller Sabinnerinnen, nun ohne Biest."
„Mach’s sauber, Tom mit der erotischsten aller sommersprossigen Nasen."
Tom Clancy winkte dem schlafenden Jafko einen sentimentalen Abschiedsgruß zu und machte sich wieder auf den Weg zu seinem Quartier, um noch ein wenig Schlaf aufzuholen.
*
Am Vormittag stand das Rendezvous mit der GILGAMESCH kurz bevor. Bré Tsinga packte ihre Sachen zusammen und verabschiedete sich von einigen Kollegen und Bekannten sowie ihrem ehemaligen Vorgesetzten, Clark Mahony. Jafkos Abwesenheit brauchte sie nicht zu erklären, da der Chefmediker und der Husslar ohnehin auf Kriegsfuß miteinander standen.
Erle Thomas, die Kommandantin, hatte sich bereits früh bei ihr gemeldet, ihr zum Aufstieg in Kantors Team gratuliert und die besten Wünsche mit auf den Weg gegeben.
Niemand sprach über den Vorfall des vorherigen Abends. Bré hatte es außer Tom niemandem erzählt und Atlan wohl überhaupt keinem. Darüber war sie sehr froh.
Der paralysierte Jafko war bereits von einem Roboter fortgebracht worden. Auf dem Weg traf Bré den Arkoniden.
„Aufgeregt?" fragte er lächelnd.
„Es geht", entgegnete sie. „Ich freue mich auf die GILGAMESCH. Sie ist wirklich ein fantastisches Schiff."
Prüfend musterte sie sein Gesicht; von dem Kratzer war kaum mehr etwas zu sehen. Der Arkonide wirkte ausgeglichen und wach wie stets.
„Du bist hoffentlich bei Clark Mahony gewesen?" fragte sie.
Atlan verneinte. „Es ist wirklich alles in Ordnung. Ich vertrage schon einen Schubs, so zerbrechlich bin ich nicht."
„So meinte ich das nicht", lachte sie. „Wir Ärzte sind eben so." Ernst fügte sie hinzu: „Du bist sehr besorgt, nicht wahr? Gibt es neue Nachrichten?"
„Nein. Immerhin keine schlechten, aber leider auch keine guten." Erfuhr durch seine schulterlangen weißen Haare. „Die Situation ist völlig verfahren und mein Optimismus bei weitem nicht mehr so weit oben, das gebe ich zu."
„Es ist seltsam", sagte Bré, „aber irgendwie ... irgendwie kann ich es nicht glauben, daß bald alles enden soll. Mir ist vollkommen bewußt, daß unsere Chancen denkbar schlecht stehen. Trotzdem muß es einen Weg geben, und den werden wir finden. Rechtzeitig." Sie klopfte leicht mit der Faust auf ihre Brust. „Da drin ist etwas, das mir sagt, daß es so ist."
„Das klingt nicht sehr wissenschaftlich", bemerkte Atlan in leichter Ironie.
Sie grinste. „Ich weiß. Aber dieses Gefühl ist da. Ich weiß mit Sicherheit, daß wir es schaffen werden!"
Nun tippte sie mit dem Zeigefinger an ihre Stirn. „Wenn das Gefühl stimmt, dann ordnen sich auch die Gedanken in die richtige Reihenfolge. Überflüssiges wird ausgeschaltet. Und dann klärt sich alles, und die Lösung ist gefunden."
Auf dem GILGAMESCH-Modul RICO angekommen, verabschiedeten sich Atlan und Bré Tsinga voneinander. Jafko befand sich bereits an Bord der Space-Jet, die die Psychologin nun ebenfalls bestieg, um sich auf den Weg nach Sabinn zu machen.
Sie brauchte dafür keinen Piloten; für diesen einfachen Flug reichte die Syntronsteuerung vollkommen aus. Außerdem hatte sie im Rahmen der Einarbeitung bei der LFT eine entsprechende - natürlich einfache Ausbildung erhalten, um wenigstens die notwendigsten Bedienungen für den
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