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1886 - Nach der Apokalypse

Titel: 1886 - Nach der Apokalypse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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den Kopf erneut schief gelegt und war in teilnahmsloses Schweigen versunken.
    Bré war nichts anderes übriggeblieben, als ihn für einige Zeit in Ruhe zu lassen. Es hatte keinen Sinn, ihn zu etwas zwingen zu wollen, das verschlimmerte nur seine Zurückgezogenheit in sich selbst. Schließlich hatte er einmal gesagt, daß ihm „alles genommen" worden sei, „was das Leben lebenswert macht". Wenn sie nur herausfinden könnte, was dieses ominöse „alles" umfaßte!
     
    *
     
    Das schlimme war, daß ihre empathischen Sinne völlig taub zu sein schienen. Bré konnte sich nicht in Genhered hineinfühlen, denn abgesehen von der apathischen Trauer schien er weder etwas zu empfinden noch allzuviel zu denken. Das machte die Psychologin fast verrückt.
    Sie war es seit frühester Kindheit gewohnt, von der Umwelt Emotionswellen zu empfangen, die sie stets begleiteten, vergleichbar mit einem unterschwelligen Summen. Wenn sie in direktem Kontakt mit Lebewesen arbeitete, erfaßte sie die Emotionen und reflektierte sie entsprechend - Tiere wurden dadurch positiv beeinflußt, Intelligenzwesen beruhigt. Spannungen wurden abgebaut, eine Atmosphäre des freundlichen Verständnisses hergestellt.
    Dies hatte zum Durchbruch bei den Herreach geführt und zur Verständigung mit den Nonggo.
    Doch nun umgab Bré eine Welt der Stille. Sie war ganz allein, freiwillig isoliert mit dem ausgestoßenen Nonggo, und sie konnte von ihm nichts empfangen. Immer wieder versuchte sie, zu ihm vorzudringen, immer wieder streckte sie ihre Fühler aus. Doch da war nichts.
    Man hatte ihr auf Cistolo Khans Anweisung hin innerhalb der Faktordampf-Barriere, rund hundert Meter von Tor 1 entfernt, einen Wohncontainer hingestellt, der ihren Bedürfnissen für einige Tage vollauf entsprach. In ihrem Schlafund Arbeitsraum gab es immerhin einen Syntronanschluß mit Trivid-Empfang, so daß sie wenigstens über die Vorgänge „draußen" informiert war.
    Damit sie trotz der Barriere, die jeglichen Funkkontakt unterbrach, angeschlossen war, hatte ein Roboter in den letzten Tagen tatsächlich ein altertümliches Kabel gelegt, das mit einer speziell für sie errichteten kleinen Trividund Funkstation direkt neben der Barriere verbunden war. Bré wußte nicht so recht, ob sie geschmeichelt sein sollte ob dieser Aufmerksamkeit.
    Aber was empfing sie auch schon für Nachrichten! In relativer Nähe wurde eine gewaltige Stadt nahezu in einem Handstreich erobert. Natürlich waren die Sender immer auf dem laufenden, und Bré wurde es beinahe übel angesichts der Geschmacklosigkeiten, die aus Sensationsgier und der Jagd nach Einschaltquoten gezeigt wurden. Daher schaltete sie meistens nur die Zusammenfassungen der Nachrichten ein und konzentrierte sich ansonsten auf die Analyse ihrer Arbeitsnotizen.
    Unterdessen schlich Genhered wie ein langer, zerbrechlich dünner Schatten durch die Gänge des Bauwerks und schlief auch dort. Bré mußte ihn mit Astronautennahrung versorgen, da sie ihn nicht zu regelmäßigen und ausreichenden Mahlzeiten bewegen konnte. Der Nonggo aß das breiige, geschmacksneutrale Einerlei lustlos und beschwerte sich nie.
     
    *
     
    „Ja, was ist denn?" meldete sich Bré ärgerlich, als sie ein Anruf erreichte. Auf dem Holo zeigte sich ein junger Mitarbeiter der LFT Einerseits freute sich die Psychologin über die Unterbrechung, andererseits steckte sie gerade mitten in einer Analyse. „Ich bin sehr -beschäftigt, also fasse dich bitte kurz", fuhr sie gereizt fort.
    „Tut mir leid, aber wir haben schon wieder drei Anrufe bekommen", entgegnete der junge Mann.
    „Weswegen?"
    „Drei verschiedene Trivid-Sender möchten ein Interview mit dir und einen Kommentar zur gegenwärtigen Lage auf Terra."
    Bré Tsinga schnaubte abfällig durch die Nase. „Wie schön, daß wir sonst keine Probleme haben!" explodierte sie. „Wahrscheinlich haben sie auch Taka Fellokk zu dem Gespräch eingeladen!"
    Der LFT-Mitarbeiter grinste. „Anzunehmen", stimmte er zu. „Natürlich habe ich ihnen in deinem Namen abgesagt und auch deinen gegenwärtigen Aufenthaltsort verschwiegen; dennoch halte ich es für meine Pflicht, dich hierüber zu informieren. Alle drei konnten gar nicht verstehen, daß dich nicht einmal das Honorar überzeugen würde."
    Als sie die Summe hörte, bekam Bré runde Augen. „Danke für die Information, aber in Zukunft verschon mich bitte damit", sagte sie und beendete die Verbindung.
    Dann lehnte sie sich zurück und lachte, es klang aber nicht fröhlich. Tom

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