1886 - Nach der Apokalypse
Clancy hatte einmal spaßeshalber zu ihr gesagt, sie würde zur „Retterin der Galaxis", wenn sie weiterhin so eifrig ihre Karriere verfolge. Seit der Vernichtung Goeddas und der Tolkander dichtete man ihr eine Wundertat nach der anderen an und erwartete wohl auch im Fall der Dscherro den Beweis ihres überdimensionalen Genies.
Bré dachte an Cistolo Khan. Sie konnte sich vorstellen, daß der LFT-Kommissar in diesen Tagen keinen Schlaf finden würde. Bisher hatte er sich nicht bei ihr gemeldet; verständlich. Trotzdem war sie ein wenig gekränkt. Für ihn war sie nach der unspektakulären Analyse der Nonggo bestimmt keine Heldin mehr, denn er hatte seine Enttäuschung deutlich gezeigt.
Um so wichtiger war es, daß sie endlich mit Genhered vorankam.
Während sie sich ihr Mittagessen erwärmte, schaltete sie auf einen Nachrichtenkanal.
„... erhalten gerade die Meldung, daß die Kämpfe weitgehend eingestellt sind und die Dscherro sich auf dem Rückzug befinden", berichtete eine Sprecherin aufgeregt. „Cistolo Khan hat umgehend Truppen zur Bergung und Löschkommandos nach Terrania City beordert, wo die Arbeiten in ‘diesen Minuten beginnen. Für diese überraschende Wende gibt es derzeit noch keine Erklärung, da weiterhin kein Kontakt zu dem Taka der Dscherro, Fellokk, besteht. Auch Friedensverhandlungen haben bisher nicht stattgefunden ..."
„Was ist da passiert?" rief Bré laut aus. „Wieso in aller Welt hören sie jetzt auf?"
3.
Terrania, nach 14 Uhr Eine Schourcht donnerte plötzlich mit der Höchstgeschwindigkeit von 600 Stundenkilometern über sie hinweg. Mimi warf sich erschrocken ‘zu Boden. Aber das Tempo war viel zu hoch, um so kleine Ziele punktgenau zu erfassen. Es gab auch keinen breiten Beschuß. Nach zwei Sekunden war die fliegende Festung aus Mimis Sichtbereich verschwunden, ohne das übliche Zerstörungswerk hinterlassen zu haben. Sie rappelte sich verdutzt auf.
„Verhalte dich still, Mimi, und bleib in deiner Deckung!" hörte sie das schwache Wispern ihrer Mutter hinter sich.
„Sie haben uns nichts getan ...", murmelte das Mädchen und’ versuchte zu begreifen, was gerade geschah.
Bis vor wenigen Augenblicken hatte ohrenbetäubender Kampflärm geherrscht. Die Schreie der Verwundeten, Gefangenen und Sterbenden hallten noch in Mimis Kopf nach. Der Klang dieser Schreie würde sie wahrscheinlich von nun an ihr Leben lang begleiten, in den Träumen und manchmal auch im Wachen.
Doch nun herrschte eine geisterhafte Stille. Mimis bunt fluoreszierendes Chrono zeigte einige Minuten nach 14 Uhr.
„Mama, das solltest du sehen!" sagte Mimi nach hinten.
„Nicht so laut, Kind!" kam der erschrockene Ruf, selbst verräterisch laut, zurück.
„Aber es ist wahr! Sie fliegen alle weg! Es ist vorbei!" Mimi rückte zur Seite, als ihre Mutter sich aufrichtete und mühevoll an ihre Seite kroch.
Darena Sars Augen waren blutunterlaufen, ihr Gesicht vor Qual verzerrt. Für einen Moment vergaß sie jedoch alle Schmerzen, als sie das schier Unglaubliche sah. „Wahrhaftig ...", hauchte sie.
Diese Anstrengung schien zuviel gewesen zu sein, denn erneut verzerrte sich ihr Gesicht, und sie sank in sich zusammen. Die rechte Hand preßte sich auf die klaffende Wunde an ihrer Seite, die nur geringfügig mit Stoffetzen verbunden war. Durch die Finger tropfte dunkles Blut.
„Mama, das ist genau die Gelegenheit", drängte Mimi. „Jetzt können wir endlich nach Papa suchen!"
Das Mädchen war vor einem Monat zwölf Jahre alt geworden. In den letzten zwei Tagen waren noch einmal ein paar Jahre hinzugekommen.
Herausgerissen aus einer heilen, behüteten Welt, hatte Mimi binnen achtundvierzig Stunden lernen müssen, in einem Krieg zu überleben, sich zu verstecken, nach Eßbarem zu suchen und ständig bereit zur Flucht zu sein. Sie hatte vor allem gelernt, daß das Gesicht des Todes sanft und gütig war, nichts, wovor man Angst haben mußte. Grausam und schrecklich war das Gesicht des Sterbens.
„Sei nicht närrisch, Kind, sie kommen bestimmt jeden Moment wieder", widersprach die Mutter. „Wir haben schon zu oft falsche Hoffnungen gehegt ..."
„Aber merkst du denn nicht, wie still es auf einmal ist?" Mimi legte den Kopf schief und lauschte angestrengt. Dann nickte sie heftig. „Es ist nichts mehr, auch anderswo nicht. Die Kämpfe sind nirgends mehr, sie haben aufgehört. Wir müssen los!" Sie schaute die Mutter bittend an, doch die schwieg.
Mimi schaute erneut auf das Chrono. So wenige Stunden
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