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189 - Die Regenbogenschlange

189 - Die Regenbogenschlange

Titel: 189 - Die Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz
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Sätzen davon gesprungen. Er verschwand zwischen einer Anhäufung von Steinen.
    Die junge Frau drehte sich zu ihm um und sah ihn an.
    Wieder fiel Chris auf, dass sie dieselbe Zeichnung wie er an der linken Schläfe hatte. Sie öffnete den Mund. Ihre Stimme war melodisch und voller Wärme. »Ich brauche dich, Chris.«
    Chris schreckte bei der Nennung seines Namens heftig zusammen. Aber warum sollte sie ihn nicht wissen? Joey hatte ihm erklärt, dass jede Person, die einem im Traum begegnete, ein Teil des eigenen Selbst war. Die Fremde war von ihm erfunden worden. Sie war sein Geschöpf.
    »Glaubst du das wirklich?« Sie lächelte, wie man über einen kleinen Jungen lächelt, der auf den Weihnachtsmann wartet.
    »Du liest meine Gedanken?« Auch das war nicht abwegig.
    Immerhin war sie ein Teil seiner Gedanken.
    »Du analysierst zu viel«, sagte sie in stark akzentuiertem Englisch. Sie war ganz eindeutig eine Anangu aus dem Busch, und Englisch war nicht ihre Muttersprache. »Du fühlst zu wenig. Vertrau auf deine Instinkte. Vertraue auf das, was in dir ruht. Du wurdest auserwählt.«
    »Auserwählt?« Chris sah sie fragend an. Auserwählt zu einer Runde Sex im Land seiner Träume? Er grinste dämlich.
    Die Fremde schüttelte den Kopf. »Ich werde dir geben, was du möchtest. Wenn du hier bist.«
    »Hier?«, echote Chris verständnislos. »Ich bin hier.«
    »Komm zurück, Chris.«
    Zurück? Ein Verdacht regte sich in ihm. Er zog scharf die Luft ein. War sie ein Mädchen seines Stammes, der ihn ausgesetzt hatte?
    Sie streckte die Arme aus. Ihr nackter Körper schillerte im Licht der Sonne wie Schlangenhaut. Ob sie sich mit Öl eingerieben hatte? Chris schüttelte irritiert den Kopf.
    »Ich… ich kann nicht«, stotterte er.
    »Du musst zurückkehren. Sonst wirst du nie erfahren, was die Wahrheit ist, und die Unwissenheit wird dich zerreißen, und die anderen werden dich als Gefahr betrachten. Denn du bist eine Gefahr, Chris, für die Welt, in der du dich bewegst, aber in die du nicht gehörst.«
    Er sah sie nachdenklich an. Das hatte er schon einmal gehört, vor gar nicht so langer Zeit.
    Sie ließ die Arme sinken. »Glaubst du noch immer, das hier sei dein Traum?«
    Sie ging auf ihn zu. »Aber warum kann ich dann eine Sprache sprechen, die du nicht verstehst? Warum tue ich nicht die Dinge, die du dir von mir wünschst? Die Zeit drängt, Chris. Ich suche dich schon lange. Nun wirst du meinem Ruf folgen. Komm nach Hause!«
    Das Bild verschwamm.
    »Warte!« Chris lief los, als könne er das Traumbild noch festhalten. »Bleib hier!«
    Aber sie war bereits fort.
    Mit heftig schlagendem Herzen wachte Chris auf. Die Worte der jungen Frau verfolgten ihn bis in den Wachzustand.
    Er hörte ihre Stimme noch immer, glaubte sogar die Trockenheit der Wüste um sich herum zu fühlen.
    »Nach Hause«, flüsterte er. »Wo ist das?«
    ***
    Sydney, November 2010
    Obwohl es Chris so vorgekommen war, als sei er schnell eingeschlafen und habe sofort geträumt, wachte er erst spät am nächsten Morgen auf. Es war Samstag und seine Eltern waren einkaufen. Er frühstückte nicht, sondern setzte sich reglos vor das Terrarium mit der Schlange. Er beobachtete die graue Vipernnatter, und nach einer Weile starrte sie auch ihn an.
    Chris merkte nicht, wie die Stunden vergingen. Er dachte über seinen Traum nach und versuchte die Veränderungen zu verstehen, die mit ihm geschahen. Immer wieder sah er das Gesicht des alten Mannes in dem Café vor sich, aber er erinnerte sich bei all seinen krampfhaften Versuchen nicht daran, ihn gewürgt zu haben. Erst gegen zwölf Uhr tauchte er aus seinen Gedanken wieder auf. Der Einkauf war längst erledigt, der Dojo geöffnet. Der Junior-Kurs seiner Mutter war schon fast zu Ende. Mit einer plötzlichen Hast sprang Chris auf und verließ das Haus.
    Sie wohnten ein Stück außerhalb der Innenstadt. Ein einstöckiges weißes Haus mit Giebeldach stand neben einer Garage und dem eigens auf dem Grundstück gebauten Dojo.
    Chris trat ein und lief durch den Flur, neben dem zwei kleine Umkleideräume lagen. Dann erst gelangte er in den großen Übungsraum mit der verspiegelten Längsseite. Ehe er ihn betrat, zog er seine Schuhe aus. Er verbeugte sich vor der Wand mit den Großmeistern und blieb am Rande des mit Matten ausgelegten Raumes stehen.
    Seine Adoptivmutter Elane ging seitlich von ihm an den Schülern vorüber und begutachtete, was sie taten. Ihre flachsblonden Haare waren zu einem festen Zopf zusammengefasst. Sie

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