1891 - Das Mädchen Siebenton
er Unbehagen in Siebentons Gegenwart empfand, ja; vielleicht eine lächerliche und durch nichts zu begründende Angst.
Als Siebenton zurück in ihrer Kammer war, stürzten sich ihre beiden Gefährtinnen neugierig mit ihren Fragen auf sie. Aber sie täuschte Unwohlsein vor und legte sich zum Schlafen nieder.
Aber gerade das konnte sie nicht.
Zum erstenmal war ihr in letzter Konsequenz bewußt geworden, daß sie von einer Gefangenschaft in die andere, eine wahrscheinlich noch schlimmere, geraten war.
Sollte das ihr Leben sein, die Erfüllung all ihrer Träume?
*
Eine Fähre brachte Siebenton und etwa hundert ihrer Artgenossinnen auf den Planeten, der Seevenor hieß. Es handelte sich- um eine karge Sauerstoffwelt mit etwa zur Hälfte Meeren und zur Hälfte Landmassen.
Das Lager, in das die Anwärterinnen gebracht wurden, lag auf dem einzigen großen Kontinent im Norden, die anderen Erdteile waren im Süden der Weltenkugel massiert.
Es handelte sich um eine primitive Siedlung aus Baracken in einem Gelände, das der umgebenden Tundra entrissen worden war. Stacheldraht und Energieschranken sorgten dafür, daß keine gefährlichen Tiere für unangenehme Uberraschungen sorgten. Intelligente Bewohner gab es, laut Brovn, auf Seevenor nicht.
Etliche hundert Mönchinnen waren schon vor ihnen da, und viele hundert wurden von anderen Schiffen gebracht, während Siebenton auf den Sammler wartete, der sie ins ominöse Ausbildungszentrum bringen sollte und verzweifelt überlegte, wie sie diesem Schicksal entgehen konnte.
Wenn schon, dann nur durch Flucht. Doch wie keine Bestie von draußen ins Lager kam, versperrten die Zäune jeden Weg ins Freie. Und selbst falls Siebenton aus dem Barackenlager entkommen konnte - sie würde in der Wildnis zugrunde gehen. Es war wohl höchst unwahrscheinlich, daß ein „normales" Raumschiff hier landete.
Also wartete sie, zusammen mit den anderen Frauen. Sie tröstete sich damit, wenigstens nicht allein zu sein und vielleicht eines späteren Tages fliehen zu können. Außerdem war ja noch lange nicht bewiesen, daß sie die Prüfungen bestehen würde. Wenn sie sich nur dumm genug anstellte ...
Aber wieder einmal stellte ihr Schicksal seine Weichen auf ganz und gar unvorhergesehene Art.
Zwei Tage nachdem sie abgeladen worden waren, erschien der Sammler am Nachthimmel. Es handelte sich um eines der seltenen Vollmondschiffe; zwei Drittel eines „echten" Mondes. Majestätisch glitt es vor dem Hintergrund der hier längst nicht so zahlreichen Sterne vom Firmament - und bevor es richtig landen konnte, erschien ein zweiter heller Stern am Himmel, der ebenfalls nur ein Raumschiff sein konnte.
Was danach geschah, konnte Siebenton später allein aus Bruchstücken des Erlebten zusammenfügen. Im ersten Moment sah sie nur, was geschah, ohne sich einen rechten Reim darauf machen zu können.
Das zweite Licht wurde schnell größer, bis es als Raumschiff zu erkennen war - allerdings ein Alptraum von einem Schiff, nicht zu vergleichen mit den ästhetisch geformten Monden, Vollmonden oder gar Kreuzmonden der Mönche. Es sah aus wie ein gigantisches Stück Schrott, wahllos zusammengeflickt aus Fragmenten, deren Funktion Siebenton natürlich vollkommen unbekannt war. Einen solchen Raumer hatte sie noch nie gesehen, und nie hatte sie von ihrer Existenz gehört.
Um sie herum begannen die auf ihren Abtransport wartenden Frauen zu schreien. Das fremde Schiff war wie mit einem Sprung heran. Für einen Moment sah es so aus, als wolle es den Außenwächter-Vollmond rammen, der sich in seine Schutzschirme gehüllt hatte und unbeirrt weiter sank. Wahrscheinlich war es für eine schnelle Flucht zurück ins All zu spät. Siebenton erwartete unwillkürlich, daß die Fremden das Feuer auf ihn eröffneten, doch wer immer dort an Bord war, dachte anders.
Das Alptraumschiff, mindestens dreihundert Meter groß, fiel wie ein Stein und überholte den Vollmond noch im Landemanöver. Es setzte vor ihm auf, nahe am Zaun und der Energiebarriere um das Lager, und schon öffneten sich Schleusen, und Fremde stürmten heraus, kamen auf das Lager zugerannt.
„Warte!" rief Siebenton, als einer der Außenwächter an ihr vorbeilaufen wollte, die die Frauen zu bewachen hatten. Der Mann war offenbar so verblüfft über ihre Dreistigkeit, daß er stehenblieb. „Wer ist das?"
fragte sie schnell. „Wer sind diese Fremden, und was wollen sie?"
„Euch natürlich - und uns!" rief er ihr zu, bevor er weiterstürmte. „Es
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