1891 - Das Mädchen Siebenton
her, aber Siebenton schaffte es innerhalb von zwei Tagen, sich aus überall herumliegenden trockenen Ästen und Schlingpflanzenranken eine kleine, primitive Hütte zu bauen. Essen konnte sie in dieser Zeit nichts, weil ihr Magen nach jedem Versuch rebellierte. Doch dann schlürfte sie zum erstenmal den Saft von Beeren, die sie in ihrer Hand zerdrückt hatte, und sie starb nicht daran.
Abends saß sie auf dem Felsen, an den sie die Hütte gebaut hatte, und starrte zum Himmel. Wann kam endlich ein Schiff? Wenn es beim ehemaligen Lager landete, konnte sie es von hier aus innerhalb einer Stunde erreichen. Das war hoffentlich Zeit genug, bevor es wieder startete.
Aber wollte sie das wirklich tun?
War es nicht doch besser, hier zu sterben, als in die Hände entweder des Traal zu geraten oder in die der Shaogen-Außenwächter, für, die sie WOMÖ97 lieh eine unbequeme Zeugin darstellte? Welches Schicksal drohte ihr dann?
Solche Zweifel durchzogen sie immer wieder erneut, wenn sie auf ihrem Felsen saß. Dann nahm sie ihre Dozzpfeife und den Beutel mit dem Kraut. Beides war ihr wie durch ein Wunder geblieben. Sie stopfte die weiße Pfeife und rauchte. Und wenn das Sternlicht sie dann noch alle siebzig Stunden durchdrang, wichen die Zweifel und Sterbegedanken wieder, und sie sehnte sich mehr und mehr danach, alle Geheimnisse der Mönche und ihrer Religion, alle Geheimnisse des Außenwächter-Ordens und auch die des Traal kennenzulernen.
Daß sie als einzige überlebt hatte, war mehr als ein Wunder. Es mußte ein Zeichen gewesen sein.
In diesem Glauben überstand Siebenton die nächsten drei Wochen. Sie magerte noch weiter ab. Der Saft der Beeren konnte ihrem Körper einen Teil dessen geben, was er benötigte, aber lange nicht alles.
Sie durchstreifte die Tundra mit ihren Gräsern, Büschen und wenigen Bäumen, aber nie entfernte sie sich so weit, daß sie ein landendes Schiff verpassen würde. Von irgendwelchen „Bestien" hatte sie noch nichts gesehen, es gab nur kleine Tiere. Von ihnen konnte sie sich natürlich nicht ernähren. Im Gegenteil, sie freundete sich mit einigen von ihnen an, die sie jeden Morgen schnatternd begrüßten und sie abends, wenn sie in ihre Hütte ging, mit einem „Ständchen" verabschiedeten.
Zum erstenmal zeigte sich auf Siebentons Gesicht wieder ein Lächeln, als sie eines Morgens hinausging und „ihre Bande", wie sie sie bei sich nannte, schon vollzählig versammelt auf sie wartete.
Und da sah sie das Raumschiff.
4.
Siebenton, 54 bis 85 Jahre Die Caliguren Es war kein Mondschiff, kein Vollmond und kein Kreuzmond. Es hatte auch keine Ähnlichkeit mit dem Alptraumraumer des Traal. Es sah vielmehr so aus wie eine große Tonne, vielleicht einen Kilometer lang und ohne erkennbaren Bug oder erkennbares Heck. Beide Enden waren wie abgesägt und anscheinend durch Energiefelder verschlossen. Das wuchtige Schiff schwebte horizontal in etwa zweihundert Metern Höhe über dem Land - genau dort, wo das Lager gewesen war.
„Es ... muß ein Landekommando abgesetzt haben", murmelte Siebenton und war schon unterwegs. Sie ließ alles zurück bis auf ihre Pfeife und den Beutel. Ihre kleinen Freunde schienen an ein Spiel zu glauben und liefen mit ihr. Sie wußte nicht, wer oder was sie erwartete. Deshalb verscheuchte sie sie. Es tat ihr in der Seele weh.
Irgendwann hatte sie schon einmal ein solches Tonnenschiff gesehen. Es mußte früh in ihrer Kindheit gewesen sein, sonst würde sie sich besser erinnern. So hatte sie nur noch die vage Vorstellung von viel Aufregung um die Ankunft des Raumers, und zwar positiver Natur.
Sie hatte sich oft gefragt, weshalb die Shaogen-Außenwächter kein Schiff geschickt hatten, um hier nach dem Rechten zu sehen - auch wenn sie von der Existenz der unterirdischen Station noch nichts wußte.
Wenn ihr Schiff vernichtet worden war, mußte es vorher einen Hilferuf abgestrahlt haben. Und wenn es Sieger geblieben war, hatte es den Orden um so mehr informieren müssen.
Aber das waren jetzt Gedanken von gestern.
Siebenton lief. Ihre größte Angst war, daß das Landekommando schon wieder auf dem Weg zurück ins Raumschiff sei und sie zu spät kommen würde. Sie wußte ja gar nicht, wie lange das Schiff schon hier war.
Sie brauchte eine knappe Stunde bis zum Rand des gerodeten Felds, das zum Leichenfeld geworden war. Es stank nach Verwesung. Der Anblick der Toten ließ die Überkeit in Siebenton wieder hochkriechen und hätte sie fast zur Umkehr gezwungen.
Aber
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