1891 - Das Mädchen Siebenton
dann sah sie die Fremden, und trotz der Schutzanzüge, die sie trugen, wußte sie sofort, um wen es sich bei ihnen handelte. Der Anblick der etwa zehn Wesen, deren Gleiter neben dem ehemaligen Lager geparkt war, setzte sofort die verschütttete Erinnerung frei. Sie hatte sie bereits zweimal gesehen - einmal als Kind, einmal Jahre später. So, wie diese Geschöpfe sich auf ihrem einzigen Bein hüpfend und springend bewegten, konnte es sich nur um Caliguren handeln!
Aber was hatten sie hier zu suchen? Die geheimnisumwitterten Caliguren galten als die begnadetsten Techniker von Shaogen-Himmelreich. Sie bereisten die Galaxis auf der Suche nach Aufträgen und trieben Handel mit ihren technischen Innovationen oder allem, was ein Planet gerade brauchte und sie liefern konnten.
Es gab fast nichts, was sie nicht reparieren konnten. Wieso interessierten sie sich für dieses Schlachtfeld auf einer für sie doch vollkommen unbedeutenden Welt?
Siebenton schob die Frage in den Hintergrund. Wichtig war jetzt allein, daß sie mit den Caliguren Kontakt aufnahm und von dieser Welt fortgebracht wurde. Sie sprachen wie die Mönche und alle höherstehenden Zivilisationen von Shaogen-Himmelreich das Sternidiom, die galaktische Verkehrssprache.
Aber Siebenton fiel auch ein, daß es hieß, niemals habe ein Mönch je ein Caligurenschiff betreten ...
Egal, sie konnten sie nicht ihrem Schicksal überlassen. Sie konnten sie auf der nächsten bewohnten Welt wieder abladen, die sie anflogen.
Jetzt wurden die Caliguren auf die Mönchin aufmerksam. Winkend lief sie ihnen entgegen. Sie blieben stehen und erwarteten sie. Als sie endlich vor ihnen stand, atmete sie heftig und sagte: „Ich bin so froh, euch noch angetroffen zu haben. Ihr müßt mir helfen. Ich bin auf diesem Planeten gestrandet und sterbe, wenn ihr mich nicht von hier fortbringt."
Die Caliguren trugen Helme über ihren runden, kahlen Köpfen mit den insgesamt vier Augen rings um den Schädel. Sie starrten sie an, dann wandten sie sich einander zu und sprachen aufgeregt über Funk.
Siebenton wartete gespannt. Ihr Herz klopfte stark. Als sich dann die Caliguren wieder ihr zuwandten, hüpfte einer von ihnen auf sie zu und stellte sich vor: „Ich bin Bzeebzee, die Anführerin unseres Landekommandos. Kannst du uns erklären, was hier geschehen ist?"
„Ich will es versuchen", antwortete Siebenton und tat es nach besten Kräften. Sie beschwor wieder die Bilder des Schreckens herauf, das Sprechen fiel ihr schwer.
Als sie geendet hatte, herrschte für eine Weile betretene Stille.
„Das ist schlimm", sagte Bzeebzee dann, „sehr schlimm. Ich werde unserem Kommandanten oben im Schiff berichten. Du hast uns noch nicht deinen Namen genannt."
„Siebenton", sagte sie und unterdrückte die Frage, ob sie sie mitnahmen. Sie hoffte inbrünstig, daß der Kommandant positiv entschied. Mochte das Sternlicht mit ihm sein!
„Ihr könnt mich in eine Isolierzelle sperren, damit ich nichts von euren Geheimnissen sehe", sagte sie, als ihr das Warten zu lang wurde.
„So etwas ist nicht unsere Art", wurde sie von Bzeebzee belehrt.
„Ist es denn nicht wahr, daß noch niemals ein Mönch eines eurer Raumschiffe betreten durfte?" fragte sie hoffnungsvoll.
„Nein, es ist nicht wahr. Gerade jetzt befindet sich ein Mönch bei uns. Und ich erhalte in diesem Moment die Anweisung, dich hinauf ins Schiff zu bringen, Siebenton. Ich nehme an, das verdankst du diesem anderen Mönch."
„Werist es?" ‘fragte sie schnell. „Kenne ich ihn?"
„Wegen ihm sind wir überhaupt hier. Er hat nach dir gesucht und gut dafür bezahlt. Sein Name ist Walyon ..."
*
Walyon!
Siebenton war die ganze Zeit über, während sie mit dem Gleiter zum Schiff flogen, wie benommen. Fast hatte sie Walyon vergessen gehabt, und jetzt sollte er es sein, dem sie ihre Rettung zu verdanken hatte? Zum zweitenmal sollte er in ihr Leben eingreifen?
Sie glaubte es erst, als sie ihn sah. Der Gleiter flog in eine offene Schleuse des Raumschiffes ein. Hinter ihm schlossen sich die Schotte, und Siebenton spürte das Vibrieren von anlaufenden Maschinen unter ihren Füßen.
Zuerst stieg Bzeebzee aus, dann sie. Die Bewegungen der Caligurin wirkten leicht, fast tänzerisch. Sie balancierte ihren tonnenförmigen Körper mit den vier dünnen, beweglichen Armen auf dem einen allerdings sehr kräftigen Bein, als wäre sie schwerelos. Siebenton war davon wie verzaubert. Die zweigelenkigen Arme endeten in vier langen Fingern, von denen je
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