1891 - Das Mädchen Siebenton
lange.
„Ist dein Glaube so groß?" fragte er dann. „Traust du uns wirklich das Unmögliche zu?".
„Es ist nicht unmöglich" ereiferte sie sich. „Ich habe es doch gehört. Die Wahrscheinlichkeit für eine Reparatur wenigstens des Normalantriebs beträgt acht Prozent. Wenn ihr all eure Kräfte auf ihn konzentriert, werdet ihr es schaffen! Versucht es. Bringt meinetwegen eure Frauen, Kinder und Alte mit den Beibooten schon in Sicherheit aber gebt das Sehiff nicht unnötig auf. Ihr könnt es schaffen, ihr werdet es schaffen!"
Sie hatte noch nie so leidenschaftlich gesprochen. Jetzt wartete sie wieder auf Tseekz’ Antwort. Es wurden aber auch schon vereinzelte Stimmen aus der Mannschaft laut, den Versuch zu wagen.
„Geht es dir nicht nur um dein eigenes Leben?" fragte der Kommandant.
„Unsinn! Ihr würdet mich in einem der Beiboote mitnehmen. Aber ich will, daß ihr kämpft! Das Schiff driftet mit Restfahrt ins System hinein, bald werden die Asteroiden keine Gefahr mehr darstellen. Riskiert es!
Versucht den Normalantrieb zu reparieren. Beim Sternenlicht, Tseekz: Ich kann einfach nicht begreifen, daß ihr eure Existenz so schnell aufgeben wollt, ausgerechnet ihr!"
„Ich glaube", sagte der Caligur mit dem gelben Band, „daß wir es versuchen sollten. Ich würde freiwillig an Bord der CZACZYK bleiben."
Einige andere Techniker stimmten ihm zu, dann immer mehr.
„Und ihr?" fragte Tseekz Siebenton und Walyon. „Was ist mit euch?"
„Ich bleibe auf jeden Fall", verkündete Siebenton. „Sagt mir, wo und wie ich euch helfen kann, und ich werde es tun."
„Ich bleibe ebenfalls", sagte Walyon.
„Kämpft!" sagte Siebenton flammend. „Das Sternlicht hat mich nicht durch euch retten lassen, um mich nun mit euch untergehen zu sehen! Ich vertraue euch. Kämpft um euer Schiff!"
Dieser Appell gab den Ausschlag.
Tseekz war plötzlich wie verwandelt. Der Schock, unter dem er und seine Mitarbeiter offensichtlich gestanden hatten - nur so konnte sich Siebenton ihre schnelle Bereitschaft zur Aufgabe erklären -, war überwunden. Siebenton hatte die Caliguren aus ihrer Lethargie gerissen, und jetzt sprach der Kommandant in rascher Folge seine Anweisungen an alle Stationen, die der Zentrale zugeschaltet waren.
Siebenton schwitzte und hielt sich tapfer auf den Beinen, obwohl sie glaubte, jeden Moment zusammenbrechen zu müssen. Die Energieleistung war wohl doch noch zuviel für sie gewesen. Walyon brachte sie in ihre Kabine zurück und reichte ihr von dem flüssigen Brei.
„Du bist über dich hinausgewachsen, Siebenton", sagte der Priester. „Aber was, wenn wir nun Pech haben? Wenn sie den Antrieb nicht reparieren können oder wir von einem Asteroiden getroffen werden?"
Sie lächelte schwach.
„Du hast es schon gesagt, Walyon: Dann haben wir Pech gehabt. Aber glaubst du denn nicht an die Gnade des Sternlichts?"
*
Sie schafften es. Es dauerte viele Stunden und bedurfte einiger neuer Anläufe, aber die Caliguren unter dem Befehl des Ersten Ingenieurs Zlawzee brachten es tatsächlich fertig, den Normalantrieb so weit wieder zu reparieren, daß sie damit den dritten Planeten anfliegen und einigermaßen heil landen konnten. Das Schiff hatte drei Asteroidentreffer abbekommen, die aber zum Glück keine gefährlichen Lecks gerissen und die Schiffsluft nicht zum Ausströmen gebracht hatten.
Nun lag es auf Operhance, einer Welt, die stark an Wolkenort erinnerte, mit guter Sauerstoffatmosphäre und ausgeglichenem Klima. Es gab jedoch nur eine große Stadt mit Raumhafen. Alles andere waren in die Natür eingebettete, kleinere Siedlungen. Von diesen gab es viele Zigtausende, und alle waren durch Antigravkanäle verbunden, die sich wie halbtransparente Röhren in einigen Dutzend Metern Höhe zwischen ihnen über das Land spannten, wo es flach genug war. Dies galt natürlich nicht für die Verbindungen von Kontinent zu Kontinent. Hierfür standen Transmitter und Großgleiter zur Verfügung.
Die Caliguren verließen ihr Schiff nicht, ebensowenig taten es Siebenton und Walyon. Das Verhältnis zu den Technikern hatte sich entscheidend geändert. Siebenton wurde fast behandelt wie eine von ihnen. Ihr allein, dem inneren Feuer, ihrer einmaligen Überzeugungskraft, verdankten sie es, daß sie ihr Schiff noch besaßen.
Aus Respekt wurde Sympathie, und bald brauchte Siebenton sich nicht mehr als Fremdkörper an Bord zu fühlen.
Für die Caliguren, die bereits die Schutzschirmgeneratoren repariert hatten, war sie eine
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