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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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unserer ganzen Seite. Nicht so bei den Beni Khalid, welche in ein zorniges Geschrei der Enttäuschung ausgebrochen waren. Viele von ihnen waren aufgesprungen und zeigten durch ihre lebhaften Gestikulationen, wie erregt sie waren. Das mußte doch dem Schützen die für ihn so notwendige Kaltblütigkeit und Fassung rauben. Der Scheik rief ihm lautschallende Vorwürfe zu, die er mit ärgerlichen Entgegnungen beantwortete, indem er wieder lud.
    Als er das getan hatte und also wieder schußfertig war, trat drüben wieder Stille ein. Er forderte Kara auf, ihm nun auch eine Kugel zuzusenden; dieser antwortete nicht und blieb so unbeweglich stehen, als ob er auf seiner Stelle festgewachsen sei. So verging eine längere Zeit. Da rief der Scheik dem Vertreter der Ehre seines Stammes zu:
    „Dieser Knabe der Haddedihn getraut sich gar nicht, zu schießen; er hat es gar nicht gelernt! Wir haben keine Zeit! Schieß du, schieß wieder! Aber mach es besser als vorhin, sonst wirst du heimgeschickt zu den kleinen Knaben, die noch nichts gelernt haben!“
    Er sagte sich nicht, daß er durch solche Drohungen den Mann aufregen müsse. Dieser antwortete mit einem unwilligen Ausruf und riß sein Gewehr wieder empor. Er zielte dieses Mal länger als vorher; dann knallte der Schuß – – – Kara machte ganz dieselbe Bewegung der Hand; er war wieder nicht getroffen worden. Nun erhob sich drüben ein größeres Geschrei als vorher. Da drehte sich der unglückliche Schütze nach seinen Leuten um und rief ihnen so laut zu, daß wir es hören konnten:
    „Haltet die Mäuler! Wer soll da ruhig zielen und schießen können, wenn euer Gebrüll die Arme zittern macht! Ich schwöre bei Allah, daß die dritte Kugel nicht vorübergehen wird! Jetzt gilt's, und darum muß und wird sie treffen!“
    Er lud sehr sorgfältig und legte das Gewehr dann sogleich wieder an, ohne zu warten, ob Kara nun vielleicht schießen werde. Er zielte diesmal viel, viel länger als vorher, so lange, daß die Anlage unruhig werden mußte.
    „Er trifft wieder nicht!“ sagte Hanneh.
    „Der Mensch ist kein Schütze!“ nickte Halef vergnügt. „Er müßte wieder absetzen, um den Arm ausruhen zu lassen! Doch nein, da, da!“
    Der Schuß war gefallen, und auch diese dritte Kugel hatte ihr Ziel verfehlt.
    „Hamdullillah!“ rief Halef aus. „Hanneh, du lieblichster Abglanz meiner Seele, siehst du ihn stehen, unsern Herzenssohn? Ungetroffen, unverletzt und ruhig, als ob er nur Luft vor sich gehabt habe, nicht aber den besten Schützen des Stammes der Beni Khalid und nicht ein auf sich gerichtetes Gewehr, aus dessen Lauf der Tod ihn treffen sollte! Ich bin stolz auf ihn, sehr stolz! Du doch auch?“
    „Ja; er ist dein Ebenbild!“ antwortete sie.
    „Ich danke dir! In Beziehung auf die Tapferkeit ist überhaupt jeder Krieger der Haddedihn mein Ebenbild, und Kara ist ein Haddedihn; da braucht man sich gar nicht zu wundern!“
    Auf der uns gegenüberliegenden Seite gab es andere Worte als hier bei uns; da herrschte ein Tumult, der gar kein Ende nehmen wollte. Kara hatte uns auch jetzt die schon zweimal erwähnte, verächtliche Handbewegung zugeworfen; nun schob er den einen Fuß von dem andern ab und stützte sich auf sein Gewehr, um zu warten, bis bei den Beni Khalid wieder Ruhe eingetreten sei.
    „Effendi“, fragte mich Halef, „siehst du ihm nicht auch ganz deutlich an, daß gleich seine erste Kugel grad da sitzen wird, wo er will?“
    „Er wird keinen Fehlschuß tun“, antwortete ich.
    „Er hat sich das zu Herzen genommen, was du in Beziehung auf den Speerkampf sagtest, nämlich, daß du warten würdest, bis der Gegner keine Lanze mehr habe. So hat auch er seine Kugeln aufgehoben, und ich bin bereit, zu wetten, daß er nur die erste braucht. Wettest du mit?“
    „Nein.“
    „Aber so tue es doch!“
    „Nein. Du weißt ja, daß ich niemals wette.“
    „Allerdings; aber jetzt solltest du doch gegen mich setzen!“
    „Wie kann ich das, da ich doch ganz derselben Ansicht bin wie du?“
    „Ja, richtig! Also wetten wir nicht! Paßt auf, ihr Leute! Er hat uns gesagt, daß er nun zeigen will, was er, den man einen Knaben nannte, gelernt hat.“
    Kara hatte sich umgedreht und uns zugenickt. Drüben war es endlich wieder still geworden. Der Beni Khalid stand auf seinem Platz, und es war ihm anzumerken, daß er sich da doch nicht ganz behaglich fühle. Doch machte er mit dem Arme eine auffordernde Geste durch die Luft und rief:
    „So schieß doch nur! Getraust du dich

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