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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dachte ich denn nun endlich an den Umstand, daß mich das Hedschihn ja noch gar nicht kannte. Vielleicht war das schuld an seiner Weigerung! Ich hielt also an, stieg ab, rieb mir die Hand mit den Kamillen ein und hielt sie ihm dann hin. Sie wurde mit Begierde in das Maul genommen und dort festgehalten. Ich hatte nur acht oder zehn Pflanzen bekommen, die schon ganz abgebraucht waren, beschloß aber dennoch, einige davon zu opfern. Maschurah schnappte mit wahrer Wonne zu; ich bekam die Hand frei und stieg wieder auf. Zunächst ließ ich sie eine kleine Strecke langsam gehen; dann trieb ich sie an, und als sie gehorcht hatte, wartete ich nicht länger, den letzten Versuch zu machen:
    „Maschurah, Maschurah – – –! Bubuna, bubuna, bubuna – – –!“
    Da bekam ich einen Ruck, der mich fast aus dem Sattel warf, und dann – – – ja, dann ging es los, und aber wie! Ja, es war genauso, wie der Perser gesagt hatte: Die stehende Luft, die wir durchschnitten, wurde für mich zum Wind. Ich war früher einige Male gezwungen gewesen, bei meinem Rapphengst Rih auch das Geheimnis anzuwenden, und muß der Wahrheit nach gestehen, daß es mir jetzt war, als ob Rih damals schneller gewesen sei als das Hedschihn jetzt; ich bin auch jetzt noch überzeugt, daß dies kein Irrtum war; aber es kam nun darauf an, auf wessen Seite die größte Ausdauer war, ob auf der Seite des Pferdes oder des Kameles! Der Basch Nazyr hatte, wie man weiß, dem letzteren den Vorzug gegeben.
    Es war jetzt kein Ritt, kein Jagen mehr, sondern ein Fliegen zu nennen. Die Felsengruppen, die es noch gab, schossen förmlich an uns vorüber. Dann kamen wir hinaus auf die steinige Serir, wo ich, um mich eines vaterländischen Ausdruckes zu bedienen, ‚aufzupassen hatte wie ein Heftelmacher‘, um die Fährte, welcher ich folgte, nicht zu verlieren. Doch gehorchte Maschurah trotz der ungeheuern Schnelligkeit jedem meiner Worte und auch der leisesten Berührung mit dem dünnen Metrek (Lenkstab). Auf dieser Ebene brauchte das Hedschihn zehn Minuten, um eine Strecke zurückzulegen, für welche auf dem Herwege im Schritte eine ganze Stunde notwendig gewesen war. Und diese unbeschreibliche Hast wurde nicht geringer, sondern blieb sich stetig gleich, auch als wir die Serir hinter uns hatten und in den Sand kamen, bei dessen Beschreibung ich vom ‚Mahlen‘ der Hufe sprach. Aber er strengte unbedingt mehr an als der Felsenboden. Maschurah begann zu schwitzen.
    Dann wuchsen die schon beschriebenen Dünenreihen aus dem Sand empor. An der ersten hatte, wie ich aus den Spuren sah, der Perser aus irgendeinem Grund längere Zeit gehalten. Es war mir der Gedanke gekommen, das Hedschihn hier verschnaufen zu lassen; aber bei dem Anblick dieses Halteplatzes unterließ ich es, das Zeichen dazu zu geben, denn durch die hier entstandene Verzögerung war das Zusammentreffen des Basch Nazyr mit den Beni Khalid verzögert worden, und dadurch vergrößerte sich für mich die Möglichkeit, ihn doch noch vorher einzuholen und von ihnen abzulenken.
    Es war eine böse Anstrengung, welche das brave Tier zu überwinden hatte! Auf der einen Seite sich an den steilen Sandbergen in fast rasenden Sätzen emporschnellend, schoß es an der andern mehr rutschend, gleitend und oft dem für uns beide gleich gefährlichen Sturz nahe, wieder hinab, – um die nächste Düne in ebendieser Weise zu überwinden. Der Schweiß zeigte sich stärker; schon bildete sich ein weißer Schaumrand an den Lefzen, und – ja, da hörte ich den ersten, hastigen, lauten Atemstoß. Es war Zeit, innezuhalten!
    „Yawahsch, yawahsch, yawahsch!“ rief ich.
    Maschurah fiel sofort in ein langsameres Tempo, in welchem ich sie aus Vorsicht noch eine ziemliche Strecke gehen ließ, bis sich wieder ruhiger Atem zeigte und der Schaum verschwunden war. Dann hielt ich an, stieg ab, liebkoste sie mit wirklicher Dankbarkeit, denn sie hatte mehr, weit mehr als ihre Pflicht getan, und gab ihr die Datteln, welche ich für Assil Ben Rih eingesteckt hatte. Die Art, wie sie mich dabei ansah, war geradezu rührend. Ein solches Kamelauge hatte ich noch nicht gesehen! Das war nicht die rote Farbe desselben, sondern der Inhalt des Blickes! Es schien, als ob sie mich fragen wolle, ob ich mit ihr zufrieden sei. Wahrlich, der Mensch sollte doch stets beherzigen, daß das Tier auch eine denkende und fühlende Seele besitzt, welche Liebe und Härte vielleicht tiefer empfindet und besser zu unterscheiden weiß, als wir alle denken!

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