19 - Am Jenseits
dann sind sie da.“
„Wir drei reiten ihnen entgegen, du, Hadschi Halef und ich. Die andern bleiben hier und folgen uns nur dann, wenn sie schießen hören. Ihre Fragen beantwortest du. Sag, was du willst, nur nicht, was wir sind, woher wir kommen und wohin wir wollen. Vorwärts!“
Wir bogen um die Steine und sahen die Reiter in einer Entfernung von vielleicht zweihundert Metern vor uns. Sie stutzten; wir ahmten das nach; dann ritten wir gegenseitig in sehr langsamem Schritte aufeinander zu. Da sagte der Führer im Tone der Überraschung:
„Maschallah! Den langen Bedawi (Beduinen) in der Mitte kenne ich. Es ist Tawil, der Scheik der Beni Khalid.“
„Kennt er dich?“ fragte ich.
„Nein. Ich habe ihn nur einmal gesehen, er mich aber nicht.“
„Wie ist sein Charakter?“
„Roh, grausam, rachsüchtig, aber ohne Falsch; er ist stolz darauf, nie eine Lüge zu sagen.“
„So werden wir bald mit ihm fertig sein!“
„Denke das nicht, sondern nimm dich in acht, Sihdi! Er ist jedenfalls nicht allein in dieser Gegend. Furcht kennt er nicht. Er ist ehrlich wie der Löwe, welcher durch sein Brüllen anzeigt, daß er kommt; aber gleich nach dem Donner seiner Stimme folgt der tödliche Sprung!“
Zu weiteren Worten war keine Zeit, denn wir waren dem Beni Khalid jetzt so nahe gekommen, daß die Begrüßung vor sich gehen mußte, nur fragte es sich, wer damit beginnen sollte, sie oder wir. Ich fand nur noch Zeit, dem Führer zu sagen, daß nicht er das erste Sallam sagen möge, da hielten die drei Reiter auch schon ihre Pferde vor uns an.
Der mittlere von ihnen, also Scheik Tawil, war, ganz seinem Namen gemäß, welcher ‚groß von Gestalt‘ bedeutet, ein außerordentlich langgewachsener Mann mit einem sonnenverbrannten Gesicht, dessen Züge allerdings nichts weniger als Liebenswürdigkeit verrieten. Er erwartete sichtlich, daß wir zuerst grüßen würden, und als wir das nicht taten, ließ er seinen Blick zornig lodernd über uns gleiten und fuhr uns streng an:
„Nun? Habt ihr keine Mäuler? Oder wißt ihr, trotzdem ihr erwachsene Männer seid, noch nicht, daß man ein Sallam zu sagen hat, wenn man sich begegnet?“
Ich sah meinem kleinen Halef an, daß es ihm Anstrengung verursachte, auf diese Anrede still zu sein. Doch machte unser Ben Harb seine Sache auch nicht ganz übel, indem er antwortete:
„Zu jeder Begegnung gehören zwei. Sag deine Worte also nicht bloß zu uns, sondern auch zu dir, zu euch!“
„Allah lasse dich an deiner Rede ersticken! Nur Narren sprechen mit sich selbst. Ich verlange den Gruß von euch. Wollt ihr es wagen, uns durch die Verweigerung zu beleidigen, so bedenkt die Folgen!“
„Auch dazu gehören zwei! Warten wir also ab, wen die Folgen treffen werden, uns oder euch!“
Tawil fuhr mit seiner Hand drohend nach dem Gürtel, aus welchem der Griff eines Messers und der sonderbar gestaltete Knauf einer alten Pistole hervorragten, besann sich aber eines andern und wendete sich in verächtlichem Tone an seine Begleiter:
„Diese Menschen scheinen von Allah ganz verlassen zu sein oder aus einer Gegend zu kommen, wo die Grobheit für Höflichkeit gehalten wird; ihre Unwissenheit kann uns also nicht beleidigen, sondern nur erbarmen. Haben wir also Mitleid mit ihnen!“
Hierauf richtete er seine Worte wieder an den Ben Harb:
„Ich bin Tawil Ben Schahid, der berühmte Scheik der Beni Khalid, deren Zahl ohne Ende ist. Meine Macht reicht über die ganze Wüste und alle ihre Grenzen, und kein Feind kann sagen, daß er den Sieg über mich gewonnen habe. Nun ich in meiner Güte euch dieses mitgeteilt habe, wirst du mir wohl sagen, wer ihr seid. Soviel wenigstens hast du doch gelernt, daß sich dies schickt und gehört?“
„Ich habe gelernt, höflich gegen Höfliche zu sein und mich überhaupt gegen andere genauso zu verhalten, wie sie sich gegen mich benehmen. Also werde ich, nachdem du uns gesagt hast, wer du bist, deine Wißbegierde auch befriedigen. Wir gehören zum Stamme der Beni Arab Solaib und kommen also aus der Dschesireh.“
Es muß bemerkt werden, daß die Solaib-Beduinen infolge abgeschlossener Verträge niemals von andern Stämmen angegriffen werden, dafür aber natürlich verpflichtet sind, sich stets friedlich zu verhalten. Sie stehen deshalb nicht im Rufe der Tapferkeit, und so brauchte ich mich jetzt nicht darüber zu wundern, daß Tawil die Brauen hochzog und mit geringschätzigem Lächeln erwiderte:
„Solaib, ah, Solaib! Damit ist eure Dummheit allerdings
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